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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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Teetasse, während Frank drei Scheiben Brot, zwei mit Käse, eins mit Marmelade, verzehrte und sie ihm zwei Mal schwarzen Tee nachschenkte.
Sie beobachtete ihn, ununterbrochen.
Frank war sich dessen bewusst. Jede Geste, jede Gesichtsbewegung sog sie in sich auf. Fast genau auf den Tag drei Jahre hatte sie ihren Sohn nicht gesehen. Wie schmerzlich hatte sie ihn all die Zeit vermisst und wie oft hatte sie sich gewünscht, er möge bei ihr sein.
Und jetzt saß er leibhaftig vor ihr.
Frank empfand ihre Blicke als Freude und wunderte sich nur, dass seine Mutter seine eigene Skepsis ob der ungewöhnlichen Situation in der sie sich befanden, nicht teilte. Für sie schien es keinen Zweifel an seiner Identität zu geben.
»Ich erinnere mich nicht an dieses Zimmer, und ich erinnere mich nicht an den Mann auf den Fotos.«
»Dein Vater«, bestätigte Luise. »Das wird bestimmt wieder werden. Wir müssen einen Arzt aufsuchen!«
Frank lehnte sich satt zurück.
Luise entdeckte einen Marmeladenfleck auf Franks Hemd, befeuchtete ein Taschentuch, das sie aus der Schürze gezogen hatte, beugte sich vor und begann zu rubbeln.
»Ist besser, du ziehst es aus. Ich gebe dir eins von deinem Vater.«
Frank vermutete, sie habe auch gerochen, dass er die Nacht darin geschlafen hatte, und wäre nur zu höflich, ihm das als den Grund zu nennen, denn von dem Fleck war kaum noch was zu sehen, als Luise, das Taschentuch wieder einsteckte.
»Müsste dir eigentlich passen, ihr hattet ja immer eine ähnliche Statur. Gut, dass ich nichts weggeworfen habe.«
Sie führte ihn in ihr Schlafzimmer, in dem immer noch das Ehebett stand, eine Tagesdecke lag über beide Seiten ausgebreitet. Über dem Kopfende hing ein großes Marienbildnis in achteckigem, goldenem Rahmen: die Jungfrau mit dem Heiligenschein, ihr Neugeborenes glücklich in Händen haltend. Aus einem Kleiderschrank fischte Luise ein Hemd, kleine schwarze und rote Karos darauf. Hätte Frank seine Nase sehr nahe dran gehalten, hätte sie den leichten Geruch von Mottenkugeln aufgenommen. Frank befühlte den Stoff: Baumwolle, wie bei seinem eigenen Hemd, vielleicht etwas gröber. Sicherheitshalber drückte Luise ihm auch Unterhose, Hose, Hosenträger und frische Socken in die Hand. Dann zeigte sie ihm das Bad und ließ ihn alleine.
Nach ein paar Minuten kehrte er ins Wohnzimmer zurück. Er hatte sogar noch ein eindeutig für Männer gedachtes Duftwasser im Bad entdeckt und fühlte sich sichtlich wohler. Rasierzeug war keines da gewesen.
Luise saß wieder im Sessel, ihr Blick war auf das Hochzeitsbild auf der Kommode gerichtet. Sie sprach zu sich selbst und Frank meinte, den Namen 'Ernst' gehört zu haben. Dann sah sie Frank in der Tür stehen und musterte ihn.
»Passt dir ausgezeichnet«, lobte sie.
Frank lächelte und setzte sich.
»Sagen dir die Initialen 'SG' etwas?«, fragte er.
»'SG'? 'SG'? Lass mich überlegen! – Simon Ganser, das war ein Freund aus meiner Jugendzeit, lange bevor ich deinen Vater kennen lernte.«
Frank glaubte nicht, dass das der richtige 'SG' war.
Luise überlegte weiter.
»Mein Vater, dein Großvater, hatte auch diese Initialen. Sein Vorname war Stephan, und mein Mädchenname war ja Gohlke. Warum willst du das wissen?«
Frank zog das Medaillon hervor. Er führte die dünne goldene Kette über sein Haupt und reichte das Medaillon seiner Mutter. Mit leisem Klicken sprang der Deckel in Luises Hand auf.
»Nein, das kenne ich nicht. Von meinem Vater ist es sicher nicht. Was ist denn das? Ist das ein Knopf?«
Sanft entwand Frank das Kettchen mitsamt dem Medaillon den Händen seiner Mutter und legte es sich wieder um.
Frank seufzte.
»Ich kann mich an das Medaillon nicht erinnern. Ich kann mich auch nicht erinnern, wo und wann ich meine Kleidung gekauft habe, geschweige denn, wo und wann ich sie angezogen habe.«
»Aber du erinnerst dich doch an mich, oder?«
»Vage.«
Man sah Luise an, dass ihr eine eindeutigere Antwort willkommener gewesen wäre.
»Woran erinnerst du dich noch – vage?«
»So gut wie nichts, keine Menschen, ein paar Gebäude hier, das Stadtschloss, die Schlossbrücke, der Dom, das Haus in der Großbeerenstraße.«
Und dann nach einer Pause: »Ich war dort.«
»In der Großbeerenstraße?«
»Ja, das war das erste, was mir wieder einfiel. Da habe ich auch Nansen gesprochen.«
»Nansen? Hätte gar nicht gedacht, dass der noch lebt. Seine Leber scheint ja einiges vertragen zu können. Ich habe ihn zuletzt vor anderthalb Jahren getroffen, da war er am Friedhof
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