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Alles bleibt anders (German Edition)

Alles bleibt anders (German Edition)

Titel: Alles bleibt anders (German Edition)
Autoren: Siegfried Langer
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Ruhestätte. Frank tat es ihr gleich. »Kommst du mit nach Hause?« Frank hatte keine Ahnung, wo 'nach Hause' war. Dennoch ging er zum Fahrrad, griff nach der Lenkstange, klappte mit einem kurzen Druck seines Fußes den zweibeinigen Fahrradständer nach hinten weg, so dass es nun auf beiden Reifen stand, und gab Luise eine Antwort.
»Ja. Ich komme nach Hause.«

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    Das Fahrrad neben sich her schiebend, wies ihm Luise den Weg zwischen den Grabreihen. Die zwei gingen zu einem Portal hinaus, das auf der anderen Seite des Friedhofs lag, sie passierten die Dreifaltigkeitskirche, einen grauen, eher nüchtern wirkenden Bau. »Ich gehe jeden Morgen um neun Uhr zur Frühmesse«, erzählte sie, »danach auf den Friedhof.« Und dann: »Es ist nicht weit. Wir sind gleich da.« Es dauerte auch keine zehn Minuten, bis Luise stoppte und den eingeklemmten Korb vom Gepäckständer nahm. Frank hatte die Hoffnung gehabt, dass das Ziel dieses kurzen Wegs irgendeine Assoziation bei ihm wecken könnte. Doch der Wohnblock, vor dem sie anhielten, löste genau so wenige Erinnerungen bei ihm aus, wie jeder andere, den er heute Morgen passiert hatte.
»Hier habe ich gewohnt?«, fragte er ungläubig.
»Nein, Frank. Weißt du das nicht mehr?«
Luise erkannte die Antwort selbst in Franks Gesicht.
»Dein Vater und ich haben hier gewohnt. Du hast doch da schon alleine gelebt, in der Jüterboger, gleich um die Ecke. In deiner 'Bude', wie du es immer genannt hast. War eine nette, kleine Ein-Raum-Wohnung. Zum Abendessen bist du dennoch immer zu uns rüber gekommen.«
Sie lächelte.
»Und in der Großbeerenstraße?«
»Da haben wir davor zusammen gelebt: Dein Vater, du und ich. Wir sind dann dort ausgezogen und du wolltest dein eigenes Leben führen. Warst ja schließlich alt genug.« »Wann war das?« »Lass mich überlegen, das muss etwa zwei Jahre gewesen sein, bevor du …« Sie hielt inne und lenkte ab: »Aber wollen wir nicht rein gehen?« »Können wir nicht kurz noch rüber in die Jüterboger Straße?« »Wenn du das möchtest.« Sie kettete das Fahrrad an einen Fahrradständer vor dem Haus und führte ihn zum gewünschten Ort. »Hier!«, sagte sie, nur ein paar Häuser weiter. Frank blickte auf einen Kinderspielplatz. »Hier?« »Ja. Hier stand es. Leider abgebrannt. Vorletztes Jahr. Gasexplosion.« Franks Hoffnung, an einem Ort, an dem er bis zum Zeitpunkt seines 'Verschwindens' gelebt hatte, etwas aus der Unergründlichkeit seines Verstandes zu fischen, zerplatzte. »Ich mach' uns zu Hause erstmal einen schönen, heißen Tee. Komm!«

Frank stand vor der Kommode in der Wohnung seiner Mutter. Er begutachtete die Fotos in schwarz-weiß, die darauf aufgestellt waren. In zumeist hölzernen Rahmen erkannte er seinen Vater bei der Armee; seinen Vater, eine Pfeife schmauchend, auf einem Stuhl sitzend; seinen Vater, die Ärmel hoch gekrempelt, beim Holz hacken; seinen Vater im Frack, Hand in Hand mit seiner Luise im weißen Brautkleid.. Auf weiteren Bildern ein etwa achtjähriger Junge, eine Kerze in der Hand haltend und derselbe Junge dieselbe Kerze in der Hand haltend, mit den stolzen Eltern dahinter. 'Heilige Erstkommunion' las er darunter in verschnörkelter Schrift. Ein weiteres Foto zeigte den Jungen, nun zum Mann gereift, lachend, eine junge, fröhlich dreinblickende Frau an seinem Arm untergehakt. Auf ihrer anderen Seite befand sich wiederum ein kleiner Schirm, dessen gebogener Griff in ihrer Armbeuge ruhte. Dahinter Wasser, ob es ein See war oder ein Fluss, das erkannte Frank nicht.
Er hörte seine Mutter auf dem Gang etwas vor sich hin murmeln, dann kam sie auch schon zur Tür herein, ein Tablett in den Händen haltend. Sie setzte das Tablett auf dem niedrigen Wohnzimmertisch ab und nickte Frank freundlich zu; eine stille Aufforderung, er solle Platz nehmen.
Da saßen sie nun, Luise auf einem abgenutzt, aber nicht schäbig wirkenden Sessel mit weinrotem Stoffüberzug, Frank auf dem dazu gehörenden Sofa. Und als Frank sah, dass seine Mutter nicht nur das Teeservice hereingebracht hatte, sondern auch etwas zu Essen, da meldete sich auch sein Magen. Nicht so laut wie gestern Abend vor der Haustür in der Großbeerenstraße, doch laut genug, dass seine Mutter es hören konnte.
»Du hast noch nichts gefrühstückt heute?«
Frank nickte.
»Greif zu, mein Junge. Das Brot habe ich erst gestern selbst gebacken, die Erdbeermarmelade ist von Tante Ursel aus Schönow.«
Der Name sagte ihm nichts.
Sie nippte selbst nur wenige Male an ihrer
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