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Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Autoren: Tatjana Meissner
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verschiedene Ursachen haben, aber sehr oft sind Verlagerungen von Wirbeln, schlechte Haltung, Wirbelsäulenkrümmungen oder Verletzungen der Wirbelsäule daran schuld. Jedes dieser Probleme kann eine Reizung oder ein Einklemmen der Nerven verursachen. Der Grad der Schmerzen reicht von mild bis quälend. Manchmal aber begleitet ein leichter Schmerz eine schwerwiegende Veränderung, während ein intensiver Schmerz nichts als ein kurzer Muskelkater von einem außergewöhnlich aktiven Wochenende sein mag«, doziert Alexandra nicht ohne Stolz auf ihr umfangreiches Wissen.
    »Wir hatten bisher leider keinen außergewöhnlich aktiven Wochenendsex«, kreische ich hysterisch.
    »Tati, bleib ruhig. Zünde dir eine Zigarette an, ich lese in meinem schlauen Buch nach!«
    Es raschelt im Hörer. Von meinem Küchencouch-Stammplatz, auf den ich mich zum Telefonieren zurückgezogen habe, blicke ich über den Tisch auf mein krankes Mumienmännchen herab. Carsten liegt mit geschlossenen Augen und blassem Gesicht stocksteif vor mir. Ich muss kurz die Augen schließen, damit mein Magen entspannt bleibt.
    »Tati?«
    »Bin dran!«
    »Also pass auf. Die bekanntesten Erkrankungen in diesem Bereich sind Nervenentzündungen, Schleimbeutelentzündungen, Neuralgien, Arthritis, Durchblutungsstörungen, Muskelschwäche, Paralyse, also Lähmung, Inkoordination und Zittern. Schmerzen im Oberbauch können einen Schmerzreflex auslösen, den man auf der Schulter spürt. Dieser Schmerz könnte Bauchhöhlenentzündung oder Gallenblasenerkrankung bedeuten. Jedes dieser Probleme zeigt sich zuerst durch Schmerzen in der Arm-, Schulter- oder Nackenregion und wird meistens zuerst beim Mantelanziehen oder Kämmen bemerkt.«
    »Er hat es beim Weinflaschenöffnen bemerkt«, sage ich und nehme einen Schluck aus dem neben mir auf dem Küchentisch stehenden, ursächlich für die Situation verantwortlichen Gefäß.
    »Bleib bitte ernst, denn es könnte noch schlimmer sein, als du es dir jetzt vorstellst!«
    »Noch schlimmer?«
    »Sei jetzt ganz stark!«
    »Ja?«
    »Es könnte auch ein Schlaganfall sein!«
    »Mit vierzig? Jetzt übertreibst du! Am besten, ich rufe gleich ein Bestattungsunternehmen an!«, flüstere ich, damit Carsten nicht auch noch in eine Depression verfällt.
    »Ich übertreibe, ja? Ich weiß, wie schlecht die Pflegefälle in diesem Land versorgt werden. Keiner hat Geld. Die Realität kann man nicht beschönigen, sie ist, wie sie ist. Wenn es dich aufregt, dass ich nicht zu allem ›schön‹ sage, dann ruf doch nicht an!«
    Danach höre ich ein Klicken, gefolgt von einem wütenden Tut … Tut … Tut. Die Sprechstunde wurde einseitig beendet. Irgendwie schade, dass Alexandra sich immer so aufregt.
    »Und?«, fragt Carsten und lächelt verzerrt. Sofort hat mich die Angst voll im Griff. Danke, liebe Schwester, jetzt denke ich bei seinem schiefen Grinsen gleich an einen Schlaganfall, statt mich darüber zu freuen, dass er schon wieder beinahe fröhlich gucken kann.
    Aber Jammern hilft nicht. Ich muss jetzt alle, in dreiundzwanzig Jahren Tochter-Erziehung gesammelten Kompetenzen bündeln und meine Mütterlichkeit aktivieren. Diese erarbeiteten Fähigkeiten sind bei Kindern und kranken Männern gleichermaßen anwendbar.
    »Alu sagt, das kann nichts Schlimmes sein, Schatz! Wackle doch mal mit dem Zeh und lächle beidseitig!« Sollte Carsten durch meine Bitte irritiert sein, lässt er sich das nicht anmerken. Er lächelt beidseitig, wenn auch unecht, und die untere Spitze des Mumiensackes bewegt sich.
    »Wenn ich still liege, tut es kaum weh!«
    »Ein Glück!«, denke ich und entscheide mich für die scheinbar harmloseste der von Alexandra aufgezählten Diagnosen, die Schleimbeutelentzündung.
    »Meinst du, du könntest dich vorsichtig hinsetzen, damit ich dir was überziehen kann?«
    Ohne seine Antwort abzuwarten, ziehe ich die Decke weg, greife seine Jogginghose und fädle nacheinander seine Beine hinein, ohne mich von seinem Stöhnen beim Heben des Hinterns irritieren zu lassen. Als Nächstes wälzt er sich auf die Seite. Das sieht so unbeholfen aus, dass sich mein Paternoster-Syndrom bemerkbar macht und ich mich kurzfristig aus der Küche verziehen muss.
    »Schatz«, rufe ich auf der Flucht, »ich hole dir schnell ein paar Schmerztabletten und was zum Einreiben!«
    Bei meiner Rückkehr sitzt er wie ein Schluck Wasser auf dem Küchensofa, den linken Arm immer noch auf dem Kopf abgelegt. Pflichteifrig greife ich nach der Tube mit dem Einreibemittel und
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