Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)

Titel: Alles außer Sex: Zwischen Caipirinha und Franzbranntwein (German Edition)
Autoren: Tatjana Meissner
Vom Netzwerk:
trage ganz vorsichtig die Salbe auf. Ich weiß nicht genau, wo die Schleimbeutel sein sollen, aber am lautesten stöhnt er auf, als ich in die Nähe seiner Halswirbelsäule und des linken Schulterblattes komme. Trotz größter Mühe und vorsichtigstem Vorgehen ist das Anziehen der Jacke für meinen Schleimbeutelerkrankten eine Tortur. Demütig wirft er die von mir bereitgelegten Tabletten ein.
    »Vielleicht hast du eine Schleimbeutelentzündung«, schlage ich vor, während ich mich, von der Aufregung erschöpft, neben ihn aufs Küchensofa fallen lasse. Ich ernte einen gequälten Blick.
    »Eine Schleimbeutelentzündung ist es auf keinen Fall. Da kenne ich mich aus, weil ich das früher beim Ringen ab und zu hatte. So was schmerzt auch eher im Ellenbogen oder Kniegelenk«, sagt Carsten in meckrigem Ton.
    »Was soll das denn sonst sein?«
    »Glaube, es ist eine Zerrung. Als ehemaliger Sportler tun mir meine Schultern immer mal weh! Das kündigte sich die letzten Tage schon an!«
    »Das kann doch nicht wahr sein! Wegen einer Zerrung machst du so ein Theater?«
    Carsten guckt jetzt aufmüpfig und augenschattig wie ein Erdmännchen, ist allerdings nicht so beweglich wie diese possierlichen Tierchen. Als ob er mir etwas beweisen müsste, steht er auf und stolziert erhobenen Armes, steif und aufrecht ins Wohnzimmer. Von dort höre ich ein unterdrücktes Stöhnen, das vom Quietschen des Sofas übertönt wird. Mein Patient hat sich beleidigt zurückgezogen.
    »Carsten?« Ich folge ihm. »Versuch jetzt zu schlafen. Morgen rufe ich gleich meine Physiotherapeutin an. Die macht einmal ›knack‹, und alles ist wieder gut!«
    »Mhm«, grummelt er versöhnlich. Fürsorglich ziehe ich seine Zudecke bis zum Kinn, küsse ihn auf die Stirn, greife meine Haarmonster-Katze Chica und schließe leise die Tür hinter mir.
    Zurück am Unfallort setze ich mich auf meinen Lieblingsplatz und schenke mir ein Glas Riesling ein. Ich will mit Chica kuscheln und meine Angst hinunterspülen.
    »Komm, meine Süße, komm zu Mama, hopp!«, säusele ich so zart wie möglich und klopfe dabei aufs Sofa. Chica schnüffelt gerade an der Stelle auf dem Fußboden herum, wo eben noch der nackte Cowboy lag.
    »Wieso sind denn heute alle eingeschnappt? Habe ich was falsch gemacht?«
    Chica schnieft laut. Sie leidet unter chronischem Schnupfen. Ich wohne im Erdgeschoss, und obwohl der Oktober gerade erst begonnen hat, ist der Küchenfußboden empfindlich kalt.
    »Chicaaaa, komm!« Mein Stubentiger legt sich wie ein gegrilltes Hähnchen vor die Küchenzeile und maunzt anklagend.
    »Papa ist krank, Chica! Und Mutti ist traurig, weil ihre ero-tische Nacht gerade in die Hose gegangen ist!« Chicas Antwort ist ein lautes Röcheln. Na ja, Chica hatte noch nie Sex und ist trotzdem glücklich; was will ich mich beklagen. Ich zünde mir zur Entspannung eine Zigarette an. Während ich gerade noch glückselig in Hochzeitsträumen geschwelgt hatte, drängen sich mir nach den Schlaganfall-Prophezeiungen meiner Schwester und wegen meiner eigenen Angst um Carsten schwarze Zukunftsvisionen auf. Den unerwarteten Schicksalsschlag versuche ich im Alkohol zu ertränken. Trotzdem wandern meine scheinbar alkoholresistenten Gedanken immer wieder zu meinem niedergestreckten Cowboy. Ob Carsten trotz seiner Schmerzen heute Nacht schlafen kann? Ich kann es nicht. Ich schenke mir jetzt das dritte Glas Wein nach. Mit dem Wein gelangt ein Kribbeln in meinen Magen, das verheißt Unheil. Panik beschleicht mich. Was, wenn es Carsten richtig erwischt hat. Ob ich das Glück mit ihm noch lange genießen kann?
    Bisher war ich begeistert von Carstens optimistischer Lebenseinstellung, von seiner Energie, mit der er all seine Vorhaben meistert. Manchmal beneidete ich ihn darum, dass er nie krank wurde und Zukunftsangst für ihn ein Fremdwort war. Aber jetzt? Mit Rücken?
    Bis zum heutigen Tag um 19.38 Uhr glaubte ich alles zu haben, was ein Mensch zum Glücklichsein braucht: einen Mann, der mich liebt; eine erwachsene Tochter, auf die ich stolz bin, einen großen Freundes- und Bekanntenkreis und Erfolg in meinem Beruf als Kabarettistin und Moderatorin. Das Einzige, was mir zu meinem Glück fehlte, war Carstens Antrag.
    »Prost, Chica!« Ich versuche, meine Trauer im Alkohol zu ertränken und hebe das vierte Glas Wein in Richtung des schniefenden Wollknäuels. »Unverhofft kommt oft, Katze, wir müssen optimistisch bleiben.«
    Bis vor wenigen Minuten war ich mir sicher, dass ich huldvoll Carstens Antrag
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher