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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Liane Moriarty
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Einen Augenblick starrte er den Schweinebauch an, seufzte dann und legte sein Besteck wieder beiseite.
    »Du denkst wahrscheinlich, ich bin nicht ganz dicht«, sagte er.
    »Na ja, ich würde schon gern wissen, was los ist«, erwiderte Ellen im leutseligen Ton einer Frau mittleren Alters.
    »Ich hatte gehofft, ich würde es dir erst später sagen müssen, wenn wir … Aber dann ist mir klar geworden, dass ich nicht länger warten kann.«
    »Immer mit der Ruhe.« Im gleichen geduldigen, leicht singenden Tonfall sprach Ellen mit ihren Patienten. »Ich werde schon damit klarkommen, was es auch sein mag.«
    »Es ist nichts Schlimmes«, entgegnete Patrick hastig. »Im Grunde ist es nur peinlich. Es ist … Ich will nicht lange drum herumreden, deshalb sage ich es einfach, wie es ist.« Er verstummte und grinste dümmlich. »Ich habe eine Stalkerin.«
    Einen Moment lang war Ellen nicht ganz klar, was er damitmeinte. Sie drehte die Worte im Geist hin und her, als müsste sie sie aus einer fremden Sprache übersetzen.
    Ich habe eine Stalkerin.
    Schließlich sagte sie: »Du wirst von einer Stalkerin bedrängt?«
    »Sie stellt mir schon seit gut drei Jahren nach. Meine Exfreundin. Manchmal verschwindet sie eine Zeit lang von der Bildfläche, nur um sich dann umso hartnäckiger wieder in mein Leben zu drängen.«
    Ellen verspürte grenzenlose Erleichterung. Jetzt, wo sie wusste, dass er nicht die Absicht hatte, sie abzuservieren, wurde ihr bewusst, wie sehr sie ihn mochte, wie sehr sie hoffte, dass es mit ihnen beiden funktionieren würde, und dass sie beim Wimperntuschen tatsächlich gedacht hatte: Ich könnte mich in ihn verlieben. Patrick war der Grund für ihre euphorische Stimmung den ganzen Tag über. Er und nicht das Wetter oder ihr süßer Haferbrei oder die neue Gasheizung oder die Morgennachrichten.
    Von einer Exfreundin gestalkt zu werden? Wunderbar!
    Das war spannend.
    Andererseits, wenn sie darüber nachdachte, was Stalking bedeutete …
    Briefe aus Buchstaben, die aus Zeitungen und Illustrierten ausgeschnitten worden waren. Mit Blut an Wände geschriebene Botschaften. Verrückte Fans, die die Häuser von Prominenten belagerten. Gewalttätige Männer, die ihre Exfrauen niederschossen.
    Aber wer stellte schon einem Vermessungsingenieur nach? Selbst wenn dieser ein besonders bezauberndes Kinn hatte?
    »Wie muss ich mir dieses Stalking vorstellen?«, fragte Ellen. »Ist die Frau gewalttätig?«
    »Nein.« Patrick machte ein Gesicht, als würde er gezwungen, eine Reihe äußerst intimer medizinischer Fragen zu beantworten. »Sie hat mich nie körperlich attackiert. Gelegentlich brüllt sie mich an. Wird ausfallend. Sie ruft mich mitten in der Nacht an, schickt Briefe, E-Mails, SMS-Nachrichten. Meistens ist sie einfach nur da, wo ich bin.«
    »Du meinst, sie verfolgt dich?«
    »Ja. Überallhin.«
    »Du meine Güte, das muss ja furchtbar sein!« Da war sie wieder, diese Frau mittleren Alters. »Warst du schon bei der Polizei?«
    Er rutschte sichtlich unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her. »Ja. Ein Mal. Ich habe mit einer Beamtin gesprochen, aber ich weiß nicht, ob sie … Ich meine, sie hat all die richtigen Dinge gesagt, aber ich bin mir wie ein Trottel vorgekommen, wie ein Weichei. Sie hat mir vorgeschlagen, ein Tagebuch über die Vorfälle zu führen, alles genau festzuhalten, und das habe ich gemacht. Sie meinte auch, ich könne eine einstweilige Verfügung erwirken. Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, aber als ich meiner Ex erzählte, dass ich bei der Polizei war, sagte sie, wenn ich weitere Schritte gegen sie unternähme, würde sie der Polizei erzählen, dass ich sie belästige und dass ich sie auch schon geschlagen hätte. Na ja, ich bin der Mann, wem werden sie da wohl glauben? Ihr natürlich. Also habe ich einen Rückzieher gemacht. Ich hoffe immer noch, dass sie irgendwann damit aufhört. Und unterdessen vergeht ein Jahr nach dem anderen. Ich kann nicht glauben, dass sich diese Geschichte jetzt schon so lange hinzieht.«
    »Das ist bestimmt ganz schön …« Beängstigend hatte Ellen sagen wollen, fürchtete aber, sein zartes Ego damit zu verletzen. Das Ego eines Mannes war ihrer Meinung nach so zerbrechlich wie eine Eierschale. So sagte sie stattdessen: »… stressig.« Es gelang ihr nicht ganz, den freudigen Unterton in ihrer Stimme zu unterdrücken.
    »Anfangs hat es mir gewaltig zu schaffen gemacht«, gab Patrick zu. »Inzwischen habe ich es irgendwie akzeptiert. Gestalkt zu werden gehört
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