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Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Alles aus Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Alles aus Liebe: Roman (German Edition)
Autoren: Liane Moriarty
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verächtlich oder, schlimmer noch, wies sie in leicht herablassendem Ton darauf hin, dass er eigentlich nichts von »alternativen Heilmethoden« hielt. Er sagte nicht: »Brauchtman dafür eigentlich eine Ausbildung ?« oder: »Kann man damit tatsächlich Geld verdienen?« Er schien keine Angst zu haben. Sie war schon mit Männern ausgegangen, die ernsthaft fürchteten, sie könnte sie ohne ihr Wissen hypnotisieren. Er dagegen schien einfach nur neugierig.
    Und außerdem hatte er ihr noch vor wenigen Minuten Fotos von seinem Sohn gezeigt. Von seinem süßen, blonden, achtjährigen Sohn, wie er auf einem Skateboard fuhr, Posaune in einer Schulband spielte, mit seinem Dad angelte. Er hätte ihr doch bestimmt nicht diese Fotos gezeigt, wenn er der Meinung wäre, dass aus ihnen beiden sowieso nichts werden würde.
    Es sei denn, diese Erkenntnis wäre ihm schlagartig gekommen. Jetzt, wo sie darüber nachdachte, fiel ihr auf, wie abrupt er sein Besteck aus der Hand gelegt und dabei über ihre Schulter geschaut hatte, als hätte er irgendwo in der Ferne einen Blick auf eine andere Zukunft erhascht. Er hatte sie sogar mitten im Satz unterbrochen! Sie hatte ihm gerade von einem Patienten erzählt, der von Jennifer Lopez besessen war. Eigentlich war es Michael Jackson, aber Einzelheiten wie diese änderte sie aus Gründen der Schweigepflicht immer ab. Außerdem war die Geschichte lustiger mit Jennifer Lopez.
    Er hatte plötzlich so ein trauriges Gesicht gemacht. Selbst wenn er nicht Schluss machen wollte, würde er ihr mit Sicherheit etwas Unerfreuliches oder Unannehmbares mitteilen.
    Vielleicht hatte er sie belogen und war gar nicht verwitwet, sondern immer noch verheiratet, aber seine Frau und er schliefen in getrennten Zimmern.
    Oder er war gar kein Vermessungsingenieur, sondern ein Gangster. Jetzt würde das FBI sie in die Mangel nehmen und so lange Druck auf sie ausüben, bis sie einwilligte, sich verkabeln zu lassen. Ihre Leiche würde nie gefunden werden. (Sie hatte sich letzten Sommer alle Staffeln von Die Sopranos auf DVD angesehen.)
    Oder er war todkrank. Das wäre furchtbar, würde sie aber wenigstens nicht persönlich verletzen.
    Was auch immer es sein mochte, sie war sich ziemlich sicher, dass das wonnigliche Gefühl, das sie den ganzen Tag über begleitet hatte, sich in Kürze verflüchtigen würde.
    Ellen nahm einen kräftigen Schluck Wein und schaute auf. Patrick war nirgends zu sehen. Du meine Güte, der ließ sich aber Zeit. Hatte er sich Wasser ins Gesicht gespritzt, klammerte er sich jetzt an den Rand des Waschbeckens und starrte schwer atmend sein Spiegelbild an?
    Er war auf der Flucht vor der Polizei.
    Ellen spürte, wie ihre Atmung sich beschleunigte.
    Sie hat mehr Fantasie, als gut für sie ist. Diese Bemerkung hatte Mrs. Pascoe ihr in der siebten Klasse ins Zeugnis geschrieben.
    Sie guckte sich um. Die anderen Gäste waren in ihre Gespräche vertieft, Besteck schlug leise klirrend an Teller, gelegentlich erscholl gedämpftes Gelächter. Niemand achtete auf die Frau, die einem leeren Stuhl gegenübersaß.
    Hatte sie noch Zeit? War es wirklich nötig?
    Ja.
    Sie setzte sich gerade hin, legte ebenfalls Messer und Gabel auf den Tellerrand und ihre Hände auf die Oberschenkel. Dann schloss sie die Augen und atmete durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Bei jedem Atemzug stellte sie sich vor, wie ein starkes goldenes Licht, das ihr Energie und Kraft verlieh, in ihren Körper strömte, von den Füßen aufwärts in ihre Beine, ihren Bauch, ihre Arme und zu guter Letzt in ihren Kopf, dann hüllte es sie vollständig ein. Ein goldener Schimmer war alles, was sie hinter geschlossenen Lidern sehen konnte, als ob sie in die untergehende Sonne schaute, und einen Augenblick lang kam es ihr so vor, als schwebte sie ein paar Zentimeter über dem Boden.
    Es ist alles in Ordnung. Egal, was er zu mir sagen wird, es wird mich nicht in meinem Innersten treffen. Ich werde damit umgehen können. Ich zähle jetzt bis drei: eins … zwei …
    Als sie die Augen wieder aufschlug, fühlte sie sich frisch und energiegeladen. Verstohlen schaute sie sich um. Niemand starrtezu ihr her. Sie wusste natürlich, dass sie nicht wirklich über ihrem Stuhl geschwebt und dabei wie eine Glühbirne geleuchtet hatte, aber manchmal waren diese Empfindungen so realistisch, dass sie nicht glauben konnte, nichts davon habe sich irgendwie sinnlich wahrnehmbar manifestiert.
    Selbsthypnose war etwas Wundervolles. Ellen konnte es ihren
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