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Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Alles auf Anfang: Roman (German Edition)

Titel: Alles auf Anfang: Roman (German Edition)
Autoren: Volker Ferkau
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willst, wenn krabbelige Viecher an deinem Hals saugen oder in deinen Hemdkragen kriechen. Ich habe gestandene Männer erlebt, die geweint haben wie kleine Kinder, weil sie ihren Ekel nicht mehr beherrschen konnten. Zwei, drei unserer Truppe haben sich erschossen. Das alles hatte nichts, gar nichts mit jenen Versprechungen zu tun, die uns Deutschen von den Werbern der Legion gemacht worden waren. Vielmehr waren wir Kanonenfutter für Gegner aller Art, kämpften anstatt der Franzmänner und verhinderten so, dass sich französische Soldaten die Finger schmutzig machen mussten. Es war sinnlos, brutal und ich schwor mir, bei meinem nächsten Paris-Aufenthalt – sollte ich diese Sache überleben! – abzuhauen, zurück nach Deutschland. Das würde riskant sein, denn auf Flucht stand der Tod, aber ich konnte die Metzeleien, die die Legion anstellte, schon längst nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbaren. Hier wurde nicht gekämpft, sondern rigoros vernichtet, ohne Skrupel, auch ohne entsprechende Befehle, sondern ausschließlich aus der Verrohung heraus.«
    Es war das kleine Dorf im Dschungel, das Franks Schicksal werden sollte.
    Die Truppe von Colonel Legrange wollte soeben das Dorf einnehmen, als man registrierte, dass es menschenleer war. Der Gegner hatte gewusst, dass die Vorhut anrückte und sich verborgen gehalten.
    Kaum war dies den Legionären bewusst geworden, begann das Massaker. Klein gewachsene Männer mit mandelförmigen Augen – Guerillakrieger! - sprangen aus dem Dickicht und richteten zwölf Männer buchstäblich hin. Macheten surrten und Blut spritzte. Kaum ein Legionär kam dazu, einen Schuss abzugeben.
    Soldaten, die nach ihren Müttern brüllten, wälzten sich am Boden, Männer, denen die Gliedmaßen abgeschlagen worden waren, starben wie Vieh. Nie würde Frank diese Bilder vergessen aber noch weniger konnte er vergessen, was dann geschah.
    Das Gemetzel war so schnell beendet, wie es begonnen hatte.
    »Ich erspare uns die Details«, sagt Frank und seine Zuhörer nicken stumm.
    »Colonel Legrange und ich überlebten. Zuerst dachten wir an ein Wunder. Zwar wurden wir eingesperrt, in Bambuskäfige, in denen normalerweise Tiere gehalten werden, aber wir lebten. Wir warteten auf die Nachhut – vergeblich! Möglicherweise waren unsere Kameraden irgendwo abgefangen worden, vielleicht hatte man uns auch einfach vergessen oder man wollte verschweigen, dass wieder einmal eine Gruppe Legionäre einem Massaker zum Opfer gefallen war, keine Ahnung! Verdammt, wir waren nur ein paar Deutsche, die ihren Hintern ins Feuer gesetzt hatten. Wen kümmerte es, wenn wir uns den verbrannten? Und wieder erschien dieses Lächeln in den Mundwinkeln des Colonels und ich musste nicht nachfragen, um zu wissen, dass er sogar diesem Moment etwas Schönes abgewann. Würden wir deshalb überleben? Weil er sich die Welt gut glaubte? Weil er jede Sekunde seiner Gegenwart genoss? Ich hoffte es. Hoffte es so sehr.«
    Es vergingen vier Tage. Frank und der Colonel hungerten, aber man gab ihnen zu trinken, eine graue stinkende Brühe. Kinder sprangen vor den zwei Käfigen hin und her, verhöhnten die weißen Langnasen, pissten in die Käfige, machten sich ihren Spaß daraus, vor den Hungernden gebratenes Fleisch zu essen, während Frank und Legrange der Sabber über die Lippen lief.
    Aber sie lebten!
    Noch ...
    Am fünften Tag kamen ein paar Männer und öffneten die Käfige. Sie zerrten ihre Gefangenen zu einem Tisch, der von Männern in Uniform und in Zivil, kurze Hosen, abgerissene Hemden, Kappen und Zigaretten in Mundwinkeln, umstanden war.
    Sie zwangen ihre Gefangenen, sich zu setzen.
    Sich gegenüber.
    Auf Rohrstühle.
    Einer, der dadurch hervorstach, dass er einen dicken Bauch hatte, was bei Vietnamesen eine Seltenheit ist, legte einen Trommelrevolver auf den Tisch, ein anderer rollte wie ein tunesischer Teppichverkäufer einen Teppich auf den staubigen Boden aus. Der Teppich zeigt einen scheuenden Elefanten, der vor einem Tiger, der aus dem Schilf äugt, zurückschreckt. Eine lebendige Szene, die umso körperlicher wirkte, weil es vielleicht das letzte Bild war, das sich hinter Franks Sehnerv brennen sollte, da Frank in diesem Moment mit seinem Leben abschloss. Er wusste, was dieser Revolver bedeutete.
    Russisches Roulette.
    In der Trommel befindet sich eine Kugel.
    Die Trommel wird durch die Handfläche gedreht.
    Man setzt sich den Revolver an die Stirn und drückt ab.
    Abwechselnd. Erst der eine, dann der andere.
    Es werden
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