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Alle Wege führen nach Rom

Alle Wege führen nach Rom

Titel: Alle Wege führen nach Rom
Autoren: Adalbert Seipolt
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Welches
Vorhaben denn? Nun, sie fragte Herrn Birnmoser, ob er das Generalat der Väter
vom Heiligen Kreuz kenne. Birnmoser kannte es und erbot sich sofort, die
Schwester dorthin zu begleiten. Zufällig kam in diesem Augenblick Fräulein Eva
vorbei, meinte, ein privater Bummel durch Rom sei ganz nach ihrem Geschmack,
und, falls die Herrschaften nichts dagegen hätten, schließe sie sich gerne an.
Wie sollte der galante Herr Birnmoser etwas dagegen haben, Fräulein Eva die
ersten Eindrücke der Ewigen Stadt zu vermitteln? Schwester Annaberta hätte
manches einwenden können; doch sie war zu bescheiden, um ein Veto einzulegen.
Also nahmen die beiden Weltkinder die Schwester in die Mitte und zogen los. Die
Ehre, in der Mitte zu gehen, war Annaberta nur selten widerfahren. Diesmal
jedoch fand sie es vom moralischen Standpunkt aus für vorteilhaft, galt es
doch, den biederen Birnmoser vor den Betörungskünsten des Zitronenfalters zu
beschützen. Zwar war Birnmoser vermutlich ein kinderreicher Familienvater; doch
nach einem Ausspruch ihrer Mitschwester Felizitas schützt Kinderreichtum einen
Mann vor Torheiten nicht.
    Auf der Straße schwindelte der Schwester beinahe
vor lauter Verkehr. Radfahrer klingelten, Bremsen kreischten, Sirenen heulten,
Menschen fluchten — und alles das im Herzen der Christenheit! Ohne Hilfe wäre
sie niemals über die Straße gelangt. Birnmoser jedoch geleitete sie mit
majestätischer Ruhe über die belebtesten Straßen und Plätze, ein Schutzengel hätte
das nicht besser vermocht.
    »Die mächtige Kirche vor uns ist der Lateran«,
erklärte er. »Wir werden sie später genauer kennenlernen. Sie ist dem heiligen
Johannes dem Täufer geweiht, dessen Haupt sich unter dem Hochaltar befindet.«
    »Das werden Sie schwerlich beweisen können, lieber
Herr Birnmoser«, ließ sich die Kastanienbraune vernehmen. »Höchstwahrscheinlich
handelt es sich um den Schädel eines geköpften Muselmanen, den seine Landsleute
für klingende Münze an naive Kreuzritter verkauften. «
    Der Schwester Annaberta stand sekundenlang das
Herz still. Diese Frevlerin! Aber so sind die studierten Weiber alle, schamlos
und gottlos. Auch Herr Birnmoser schien sich über das aufgeklärte Getue der
schönen Begleiterin zu ärgern, jedenfalls getraute er sich nichts über die
sogenannte Heilige Stiege zu sagen.
    Eine schmale Geschäftsstraße führte zum Kolosseum.
Vor den Schaufenstern der Damensalons zeigte sich Fräulein Eva sehr neugierig.
Der angeborene Kavalierssinn hielt Herrn Birnmoser zurück, sie stehenzulassen und
mit Annaberta allein weiterzugehen. Er konnte es sich jedoch nicht verbeißen,
zu bemerken, daß er sich mit solchen Sorgen gottlob nicht zu plagen bräuchte.
»Sie nicht«, parierte Eva. »Aber Ihre Frau.« »Ich bin unverheiratet«, bekannte
er zum Erstaunen seiner Begleiterinnen. »Ich bin zuviel unterwegs, um mich
einer Frau widmen zu können.« »Seltsam«, entgegnete Fräulein Eva verschmitzt,
»ich bin nie genug unterwegs.«
    Gottlob setzte der Eintritt in das weite Oval des
Kolosseums dem verfänglichen Dialog ein Ende. Der Gedanke, an der Stätte des
Todes Petri und vieler Tausend Märtyrer zu stehen, überwältigte die Schwester.
Sie mußte sich niedersetzen. Inzwischen malte Birnmoser in bewegten Worten ein
eindrucksvolles Bild der unzähligen christlichen Blutzeugen, die hier mit den
Löwen gekämpft hatten, ausgehöhnt von Kaiser und Pöbel, gestärkt durch
himmlische Visionen. Knöcheltief seien die Henker im Blute gewatet, im Blute,
das zum Samen der Kirche geworden sei. Birnmoser machte eine Pause, als warte
er auf eine kritische Bemerkung der jungen Dame. Doch diesmal schwieg auch sie.
    Freilich nicht lange. An der Basilika des
Maxentius schwächte sie bereits Birnmosers Behauptungen erheblich ab.
Historischen Nachprüfungen halte nur das Martyrium von knapp 300 römischen Märtyrern
stand. Das bedeute, auf die Zeit von Nero bis Konstantin verteilt, einen
Märtyrer pro Jahr, sagte sie. Nun hätte Birnmoser böse werden müssen, untergrub
sie doch seine ganze Autorität. Leider brachte er das nicht mehr übers Herz.

    Unweit der kommunistischen Parteizentrale in der
Via delle botteghe oscure — der Straße der dunklen Geschäfte — befand sich das
gesuchte Generalat.
    »Ein prächtiger Renaissancebau«, schwärmte Eva.
    >Ein
muffiger Kasten<, dachte sich die Schwester. >Ohne Garten, Spielplatz und
Hühnerhof — wie soll man dort Gott dienen?<
    Bis zu wem sie vordringen wolle, fragte
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