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Alle meine Wünsche (German Edition)

Alle meine Wünsche (German Edition)

Titel: Alle meine Wünsche (German Edition)
Autoren: Grégoire Delacourt
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wiedergutmachen. Ich hatte Angst, ich bin geflohen. Er schwor. Redete sich die Seele aus dem Leib. Ich liebe Dich , schrieb er. Du fehlst. Er erstickte. Er log nicht, ich weiß; aber es war zu spät für seine eifrigen und hübschen Worte.
    Meine barmherzigen Rundungen waren geschmolzen. Das Eis quoll heraus. Schneidend.
    Bei seinem Brief lag ein Scheck.
    Fünfzehn Millionen einhundertsechsundachtzigtausendundvier Euro und zweiundsiebzig Cent.
    Ausgestellt auf Jocelyne Guerbette.
    Da, ich bitte dich um Vergebung, sagten die Zahlen. Vergebung für meinen Verrat, meine Feigheit; Vergebung für mein Verbrechen, meine Lieblosigkeit.
    Nach drei Millionen dreihunderteinundsechzigtausendzweihundertsechsundneunzig Euro und sechsundfünfzig Cent hatte der Selbstekel über seine Träume gesiegt.
    Sicher hatte er sich seinen Porsche gekauft, seinen Flachbildschirm, alle Filme des englischen Spions, eine Seiko, eine Patek Philippe, vielleicht eine Breitling, glänzend, blinkend, ein paar Frauen, jünger und schöner als ich, epiliert, aufgeblasen, perfekt; sicher hatte er schlechte Erfahrungen gemacht, wie man sie immer macht, wenn man einen Schatz besitzt – denken Sie nur an die Katze und den Fuchs, die die fünf Geldstücke stehlen, die Feuerfresser Pinocchio gegeben hat; sicher hat er einige Zeit wie ein Fürst gelebt, wie man immer gern leben möchte, wenn man plötzlich ein Vermögen hat, um sich dafür zu rächen, es nicht früher gehabt zu haben, es überhaupt nicht gehabt zu haben. Fünfsternehotels. Taittinger Comtes de Champagne, Kaviar; und dann die Launen, ich kann ihn mir so gut vorstellen, meinen Dieb: Dieses Zimmer gefällt mir nicht, die Dusche tropft, das Fleisch ist zu durchgebraten, die Laken kratzen; ich will ein anderes Mädchen, ich will Freunde.
    Ich will das, was ich verloren habe.
    Ich habe den Brief meines Mörders nie beantwortet. Ich habe ihn fallen, aus meiner Hand gleiten lassen – die Blätter flatterten einen Moment, und als sie endlich den Boden berührten, verbrannten sie zu Asche, und ich fing an zu lachen.

    M eine letzte Liste
Friseur, Maniküre, Epilation (zum ersten Mal im Leben, die Haare an meinen Beinen / Achseln / Bikinizone – aber alles dann doch nicht – von einer fremden Person entfernen lassen, hmm, hmm)
Zwei Wochen in London mit Nadine und ihrem rothaarigen Liebsten verbringen
Ihr Geld für ihren nächsten kleinen Film geben (Sie hat mir das Drehbuch nach einer Novelle von Saki geschickt, genial!!!)
Ein Sparkonto für meinen Filou von Sohn eröffnen
Neue Garderobe aussuchen (Ich habe jetzt 38!!!! Männer lächeln mich auf der Straße an!!!!)
Eine Ausstellung der Bilder von Maman organisieren
Ein Haus mit einem großen Garten und einer Terrasse mit Meeresblick am Cap Ferrat kaufen, wo es Papa gutgehen wird. Bloß nicht nach dem Preis fragen, einfach den Scheck ausfüllen, ganz lässig :-)
Das Grab von Maman in die Nähe von Papa und mir verlegen (In den Garten des Hauses über uns?)
Irgendwem aufs Geratewohl eine Million schenken (Wem? Wie?)
Mit ihm zusammenleben (eher neben ihm). Und warten :-(
Und das ist alles

    I ch habe alles von meiner Liste erfüllt, mit zwei kleinen Abweichungen. Ich habe schließlich doch eine Ganzkörperepilation machen lassen – komisches Gefühl, wie ein kleines Mädchen –, und ich habe noch nicht entschieden, wem ich die Million schenken werde. Ich warte auf das unerwartete Lächeln, eine kleine Meldung in der Zeitung, einen traurigen, gütigen Blick; ich warte auf ein Zeichen.
    Ich habe zwei wunderbare Wochen mit meiner Tochter in London verbracht. Ich habe die Momente von früher wiedergefunden, als ich vor Jos Grausamkeit in ihr Zimmer flüchtete und sie mein Haar streichelte, bis ich die Ruhe eines Sees wiederfand. Sie fand mich hübsch, ich fand sie glücklich. Fergus, ihr Liebster, ist der einzige Ire in England, der kein Bier trinkt, und dieses Detail machte mich zu einer seligen Mutter. Einmal war er mit uns in Bristol und zeigte mir das Aardman Studio, wo er arbeitet; er gab einer Blumenverkäuferin, an der Gromit im Film vorbeirennt, mein Gesicht. Ein Tag so schön wie die Kindheit.
    Als wir uns am St-Pancras-Bahnhof verabschiedeten, weinten wir nicht. Nadine erzählte mir, dass ihr Vater sie vor längerer Zeit besucht hatte, er sah verzweifelt aus, aber ich hörte nicht zu; dann flüsterte sie mir Mutterworte ins Ohr: Du verdienst ein schönes Leben, Maman, du bist ein guter Mensch, versuch mit ihm glücklich zu sein.
    Mit ihm.
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