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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst
Autoren: Douglas Coupland
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eine Klippe mit Blick auf den Pazifik eingelassen waren. Wade erwartete fast, seinen Vater mit einer Augenklappe vor einer beleuchteten Weltkarte vorzufinden, damit beschäftigt, eine weiße Perserkatze zu streicheln und Anschläge mit Interkontinentalraketen auf New York zu planen. Stattdessen öffnete Ted die Tür, brüllte »Wade« und umarmte seinen Sohn so ungestüm, dass dieser glaubte, Blut würde ihm wie Saft aus den Poren quellen. »Komm rein. Schau dich um. Tolles Haus, was? Ich hatte die Nase voll von dem miesen Vorstadtleben.«
    Ted schenkte ihnen großzügig bemessene Drinks ein. Er war offensichtlich im Fitness-Studio gewesen, und jemand, der modisch auf dem Laufenden war, kaufte seine Garderobe ein. Und dann sah Wade ein kurzes Aufflackern in den Augen seines Vaters. Es besagte: Das ist alles Scheiße, Wade, aber sprich es bloß nicht aus, denn dann löst sich sogar die Scheiße in Luft auf, und wir haben gar nichts mehr.
    Mit den Drinks in der Hand machten sie einen Rundgang durch das Erdgeschoss mit seinen hohen Decken und seiner Hülle aus Glas, auf das immer noch der Regen prasselte. Der Umstand, dass Ted noch kein anderes Familienmitglied erwähnt hatte, führte dazu, dass Wade ein wenig die Orientierung verlor. Wer ist dieser alte Knacker? Was mache ich in seinem James-Bond-Wohnzimmer?
    Wade fragte: »Wo ist, äh, deine Frau?«
    Falls es Ted unangenehm war, dass Wade sie kennen lernte, ließ er es sich nicht anmerken.
    »Nickie? Sie kommt gleich runter. Sie ist gerade von der Arbeit zurück.«
    »Ach, sie arbeitet?«
    »Du kennst doch diese jungen Hüpfer heutzutage. Wenn man sie einsperrt, werden sie ungemütlich. Sie brauchen einfach ihren Job.«
    »Hm. Was du nicht sagst.«
    Verlegenes Schweigen machte sich breit. Ted fragte, wann Wades Maschine gelandet sei.
    »So um zwölf. Ich hätte mich ja früher gemeldet, aber mir ist so eine scharfe Nummer aus der Bar unten an der Avenue dazwischengekommen.« Dies schien bei seinem Vater neue Konversationsenergien freizusetzen. Wade stellte fest, dass er das Bedürfnis hatte, ihm eine Freude zu machen, daher schilderte er ihm das Geschehen in einer Softporno-Version. Ted versetzte ihm einen Braver-Junge-Klaps auf die Schulter.
    Aus der Küche ertönte ein leises Klirren.
    »Nickie!«, sagte Ted. »Komm rein, ich möchte dir deinen Sohn vorstellen.«
    Nickie trat mit einem Tablett mit Martinis ein, ein ironisches Lächeln auf dem Gesicht, eine Parodie auf das prüde Ehefrauendasein der 50er Jahre, an das Janet einst geglaubt hatte. Wade erkannte rasch, dass Nickie die Blondine vom Nachmittag war; die Erkenntnis war beiderseitig. Ihre Gesichter erbleichten; das Martini-Tablett kippte zur Seite, Gläser fielen auf den Boden aus poliertem Schiefer. Ted und Wade machten einen Schritt nach vorn und halfen Nickie verlegen dabei, die Glasscherben aufzusammeln, wobei Ted Nickies Handynummer auf Wades Hand sah.
    Wade ging schnurstracks zur Haustür, stieg in sein Auto und fuhr los, nach Hause - zu Janet. Sie stand gerade in der Einfahrt und lud im Regen Einkäufe aus ihrem Wagen. Mom - von ihrer undankbaren Familie im Stich gelassen, partnerlos und tapfer. Wades Hirn stöberte in unzähligen Bildern herum und wählte jene aus, die von seiner Mutter erzählten -Janet, wie sie mit Dosenpilzen einen Topf Spaghettisauce aufpeppte, um ihren Banausen ein wenig Esskultur nahe zu bringen, und dann mit ansehen musste, wie ihre Familie die Pilze herauspickte und sich darüber lustig machte; Janet, wie sie heimlich einen Zwanzigdollarschein zu dem Geld steckte, das Wade für eine elektrische Gitarre sparte; Janet, wie sie die Spatzen im Garten mit zerbröselten Brotchips fütterte, wenn sie sich unbeobachtet fühlte - Mom!
    Janet sah Wade, schrie seinen Namen und fing an zu weinen. Wade drückte sie an sich.
    »Mom, nur damit du's weißt, Dad ist ziemlich sauer auf mich, und es könnte sein, dass er mich hier suchen kommt.«
    »Hast du ihn bestohlen - oder schuldest du ihm Geld?«
    »Weder noch.«
    »Warum sollte er dann ... ach, wen interessiert's? Was auch immer du ihm getan hast - er verdient es. Hast du schon gegessen? Komm rein! Wie war 's mit Abendbrot? Oh, es gibt so viel, was ich dich fragen möchte, und ich habe jede Menge zu erzählen.«
    Sie kochte köstliche Pasta Primavera - Gott, ich vermisse Selbstgekochtes -, und Wade verfiel recht mühelos in seine Version des Wade vor zehn Jahren. Aber trotz all der Scherze, der fröhlichen Stimmung und der Erinnerungen
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