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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst
Autoren: Douglas Coupland
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ich nicht mehr ich, Wade Drummond - ich war etwas Größeres und Besseres und Bedeutenderes als nur ich selbst. Wir fühlten uns, als hätten wir einen Planeten erschaffen. Wir glaubten, diese Stimmung würde ewig anhalten.«
    Janet schwieg. Das ist Wades Art, die Lücken für mich zu füllen.
    Ein Polizeiwagen mit Sirene heulte auf der Straße unter ihnen vorbei. Die Sonne verschwand hinter den Wolken. »Wade, warum kommst du nicht nach Hause?«
    »Auf Besuch? Klar. Bald. Vielleicht nächste Woche, je nachdem, wann ich Lieferschicht habe.«
    »Nein. Ich meine, komm zurück und wohn wieder zu Hause. Ich bin sicher, dein Vater bereut den Streit und die Szene auf der Party.«
    »Mom -«
    »Diesmal könnte es anders sein.« »Mom, ich bin zu Hause ausgezogen.« »Wade?«
    »Ich kann nicht zurückkommen, Mom. Ich habe euch verlassen.«
    Wieder hatte Janet das Gefühl, als rutsche sie durch die Zeit, und jetzt stand sie wieder in der Schlange an einem Flughafen in Texas, wo sie gerade ihren Imbiss bezahlte. Sie setzte sich zum Essen auf ein Geländer neben einem Ventilator, und als sie fertig war, hatte sie noch eine Stunde und fünfzehn Minuten totzuschlagen. Auf der anderen Seite des Gangs sah sie einen Kiosk, der Internet-Accounts verkaufte. Da gerade ein Platz frei geworden war, schlug sie zu. Sie suchte nach Donny MacDonald und fand heraus, dass er als Augenarzt in New Lyme, Connecticut, wohnte. Sie dachte daran, Kontakt mit ihm aufzunehmen, aber dann wurde ihr klar, dass sie so etwas nicht mal im Traum tun würde.
    Und dann war die Zeitreise zu Ende, und Janet und Wade plumpsten in einen warmen Pudding aus Schlamm. Sie verspürte keine Angst. Der Wagen von Lloyd und Gayle glitt auf der Brücke davon, und das war's. Ihr Körper rammte Wades. Das warme Sumpfwasser war zwar nur kniehoch, aber als sie aufstanden, versanken ihre Beine wie Pfähle glucksend im Schlick.
    »O Scheiße«, sagte Wade. »Tut mir Leid, Mom.«
    »Leid?« In dem Versuch, die Balance zu finden, vollführten die beiden einen ungelenken Squaredance. »Es ist meine Schuld, dass wir hier sind. Ich hab uns hier reingeritten.«
    »Bist du verletzt?«, fragte Wade.
    »Ich glaube ja. Mein Handgelenk und mein Knöchel - von den Handschellen. Aber das muss ja nichts Schlimmes heißen. Und du?«
    »Ja. Mein Arm.« Sie richteten sich auf, und inzwischen hatten ihre Augen sich an das Mondlicht gewöhnt. Die einzige von Menschenhand gemachte Beleuchtung war mindestens ein Dutzend Meilen entfernt, Hotels entlang des Atlantik, deren Lichter scheinbar darauf warteten, losgebunden zu werden, um gen Himmel zu schweben.
    Janet sagte: »Ich glaube, meine Arme sind ziemlich übel zugerichtet.«
    »Meiner ist gebrochen, Mom.«
    »Bist du sicher? Woher willst du das wissen?«
    »Sieh her -«
    Sein nicht gefesselter linker Unterarm baumelte auf beängstigende Weise herunter. Irgendetwas ragte daraus hervor.
    »Großer Gott, Schatz, tut das weh?« »Nein. Nicht wirklich.«
    Janet glaubte ihm nicht - aber sie hatten keine Zeit, sich herumzustreiten. »Unser Blut tropft ins Wasser. Was ist mit den Alligatoren?«
    »Auch wenn die meisten Menschen sich vor Alligatoren fürchten, sind sie nicht so gefährlich, wie man glaubt.«
    »Du lügst.«
    »Ich wollte dir nur die Angst nehmen.«
    Janet schaute zu den silbrig grauen Pfeilern empor, auf denen die Straße über ihnen ruhte. »Können wir bis zur Brücke hochklettern? Das sieht nicht allzu hoch aus.«
    Wade warf einen Blick nach oben: »Nein.«
    »Na gut, kommen wir hier irgendwie raus?«
    »Theoretisch, wenn wir nicht verletzt oder aneinander gefesselt wären, würde ich dich ein paar Meilen huckepack tragen, egal in welche Richtung. Aber so? Nein.«
    »Wie wär's, wenn wir irgendwelche Autofahrer auf uns aufmerksam machen?«
    »Welche Autofahrer? Diese Straße ist für den öffentlichen Verkehr gesperrt.«
    »Hör auf, so negativ zu sein. Es muss doch irgendwas geben, was wir tun können. Wade -?« Janet merkte, dass Wade mit den Tränen kämpfte. »O nein. Ach, Schatz, es tut mir Leid, ich wollte dich nicht so anschnauzen. Es sollte nicht wütend klingen.«
    »Das ist es nicht. Es liegt an mir. Alles, was ich anfasse, wird zu Rattenscheiße. Mein Leben war ein Nichts. Eine Nullnummer. Verschwendet.«
    »Was ist mit meinem Leben, Schatz?«
    »Dein Leben? Du hast ein großartiges Leben gehabt. Du hast drei Kinder gekriegt. Du warst das Zentrum der Familie. Du -«
    »Stopp. Du hast gesagt ›warst das
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