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All the lonely people

All the lonely people

Titel: All the lonely people
Autoren: Eva Wlodarek
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wegen seines Aussehens, seiner Intelligenz, Kompetenz und seines Wertes als Menschwesen angreift.« 4 Dabei ist es gleichgültig, ob es sich um offenes oder verdecktes Gift handelt.
    Offen giftige Angriffe bezeichnen das Kind direkt als dumm, wertlos oder hässlich. Jedes Mal, wenn Isabels Mutter Streit mit ihrem Mann hatte, bekam Isabel wütend zu hören: »Wenn du nicht gewesen wärst, dann hätte ich deinen Vater nie geheiratet.« Die Mutter sparte auch nicht die Geschichte aus, wie sie versucht hatte, Isabel mit heißen Senfbädern abzutreiben.
    Benjamins Vater übertrug seine eigenen Minderwertigkeitsgefühle auf seinen Sohn. Oft schleuderte er ihm ins Gesicht: »Du bist für mich ein Nichts!«
    |28| Jana wurde in der Pubertät von ihrem Vater ständig wegen ihres Aussehens gekränkt. Ihre Beine nannte er »Sau-Stecken« und ihr Gesicht »Pfannkuchen.«
    Genauso schlimm ist die indirekte Form der verbalen Misshandlung. Sie ist außerdem noch besonders perfide, weil sich die giftige Absicht hinter scheinbarem Humor versteckt. Das Kind wird mit Ironie, subtilen Abwertungen und beleidigenden Spitznamen gequält. Susan Forward beschreibt als Beispiel dafür die Geschichte von Phil, einem gutaussehenden, erfolgreichen Mann. Phil kam in ihre Praxis, weil er unter seiner starken inneren Isolation litt. Es stellte sich heraus, dass sein Vater ihn als Kind ständig gehänselt habe. So sagte er etwa zu Phils Geschwistern: »Dieses Kind kann nicht von uns sein, seht euch nur sein Gesicht an. Ich wette, man hat ihn im Krankenhaus vertauscht. Warum bringen wir ihn nicht zurück und suchen das richtige Baby?« Da war Phil erst sechs Jahre alt und dachte wirklich, man würde ihn von zuhause wegbringen. 5
    In die gleiche Richtung gehen Bemerkungen wie: »Das ist aber eine schöne Jacke … für einen Clown!« Oder: »Als Gott den Verstand verteilte, hast du wohl in der letzten Reihe gestanden.« Zu dieser Art der Abwertung gehört auch, dass die Gefühle des Kindes lächerlich gemacht oder geleugnet werden. Sobald es auf die giftige Botschaft ängstlich oder traurig reagiert, tun die Erwachsenen so, als sei das völlig absurd. Als Phil allen Mut zusammennahm und versuchte, seinen Vater wegen der Hänseleien zur Rede zu stellen, beschuldigte der ihn, keinen Spaß zu verstehen.
    Manche Eltern misshandeln auch unter dem Deckmantel guter Ratschläge. Sie rechtfertigen ihre herabsetzenden Bemerkungen, indem sie sie rationalisieren: »Ich versuche doch nur, dir zu helfen, ein besserer Mensch zu werden.« Oder: »Die Welt ist hart und wir bringen dir bei, damit klarzukommen.« Für ein Kind ist es besonders schwer, hinter dieser pädagogischen Maske die Destruktivität zu erkennen. Der englische Autor Clement Freud, ein Enkel Sigmund Freuds, hat solche Doppelbotschaften in seinem Kinderbuch
Grimpel
dargestellt. Besonders deutlich werden sie in einer Szene, die vordergründig komisch ist, bei der einem jedoch das Lachen im Halse stecken |29| bleibt: Grimpel, von seinen Eltern mal wieder alleingelassen, hat Hunger und sucht etwas zu essen. Schließlich findet er in einer Dose einen einzigen Keks. Auf dem steht mit grüner Tinte: »Lieber Grimpel, iss diesen Keks nicht, denn grüne Tinte schadet dir.« 6
    Direkte und indirekte Abwertungen wirken wie Gift auf unsere Seele und verunsichern uns zutiefst. Wir lernen, dass wir ungewollt und nicht liebenswert sind. Also verkriechen wir uns misstrauisch in ein emotionales Schneckenhaus.

Hatten Ihre Eltern keine Zeit?
    I m Zusammenhang mit einer tief sitzenden Einsamkeit taucht auch immer wieder die traurige Formel auf: »Meine Eltern hatten nie Zeit für mich.«
    Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schmerzhaft es für ein Kind ist, wenn Eltern keine Zeit haben. Mein Vater war als junger Pastor in seiner großen Gemeinde sehr engagiert und mit seinen seelsorgerlichen Pflichten voll ausgelastet. Von der Frau des Pastors erwartete man damals ganz selbstverständlich, dass sie an der Seite ihres Mannes diese Aktivitäten unterstützte. Und vom Kind des Pastors erwartete man, dass es keine Probleme machte. Das tat ich denn auch nicht. Mit ein paar Buntstiften und später mit Büchern konnte man mich unbesorgt stundenlang allein lassen.
    Mit der Erfahrung, dass die Eltern keine Zeit haben, befinde ich mich in bester Gesellschaft mit allen denjenigen, deren Eltern berufstätig waren. Besonders Kinder von Geschäftsleuten erzählen, dass das Geschäft und die Kunden immer vorgingen. Wenn sie Glück
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