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All the lonely people

All the lonely people

Titel: All the lonely people
Autoren: Eva Wlodarek
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verdrängen unsere Schmerzen. Hätten wir die Ereignisse in ihrer tatsächlichen Bedeutung aufgenommen, wären wir innerlich vielleicht zerbrochen. Noch heute mögen wir uns oft der Wahrheit nicht stellen, dass man uns vernachlässigt, überfordert oder nicht genug geliebt hat. Manchmal erzählen mir Klienten von ihrer Kindheit und Jugend mit unbeteiligter Stimme. Sie betonen, das sei doch »Schnee von gestern«. Darüber seien sie längst hinweg. Vernünftig fügen sie dann hinzu: »Man kann ja nicht immer anderen Menschen die Schuld geben. Heute bin ich für mich selbst verantwortlich.«
    Doch der Schmerz wirkt im Untergrund weiter und kann unser Leben weit mehr bestimmen als wir glauben. Erfahrungen von Unsicherheit, Verlust, Abwertung, Gewalt oder Überforderung führen dazu, dass wir in Zukunft alles tun, um eine Wiederholung zu vermeiden. Wir passen auf, dass uns keiner mehr zu nahe kommt. Es könnte ja sein, dass er uns auch irgendwann im Stich lässt, wie wir es damals erlebt haben, dass er uns ähnlich wehtut oder uns ausnutzt. Dagegen legen wir uns einen verlässlichen Schutz zu. Der zeigt sich nicht gleich von außen. Sonst gäbe es gewiss viele einsame Singles, die sich entschieden gegen jede Bindung aussprechen. Nein, die Abwehr ist wesentlich subtiler, sodass wir sie manchmal selbst nicht durchschauen. Zum Beispiel, wenn wir uns immer in Menschen verlieben, die schon gebunden sind oder viele Kilometer weit weg wohnen. Oder indem wir zwar einen riesigen Bekanntenkreis haben, doch keinen wirklichen Freund, keine beste Freundin. Oder indem wir kein Kind wollen, weil uns die Verantwortung zu groß ist.
    Frühe negative Erfahrungen führen oft zu verborgenen Einsamkeitsgefühlen, trotz Partnerschaft, trotz Familie, trotz netter Kollegen und beruflichem oder privatem Erfolg. Tief innen bleibt das Gefühl, nicht richtig und nicht wichtig zu sein. Hinter der glatten, kompetenten, |35| sicheren Fassade sitzt das kleine Mädchen oder der kleine Junge und hat Angst. So lange, bis Sie das verlassene, verunsicherte Kind in sich erlösen. Der erste Schritt dazu ist, dass Sie die Zusammenhänge zwischen damals und heute erkennen. Nur wenn Sie Ihre Ängste ans Licht holen, können Sie sie entkräften.

Einsamkeit ist nicht notwendig die Folge
    M öglicherweise sagen Sie nach gründlicher Überlegung: »Ich habe als Kind schlimme Erfahrungen gemacht, aber das ist ganz sicher nicht der Grund dafür, dass ich heute einsam bin.« In dem Fall möchte ich Ihnen nicht widersprechen. Ihre problematische Kindheit muss nicht zwangsläufig die Ursache für Einsamkeit sein. Eine simple »Wenn-dann«-Theorie würde der Komplexität unserer Psyche gewiss nicht gerecht.
    Dafür spricht auch eine amerikanische Langzeitstudie. Sie wurde mit Kinder aus belastenden Milieus durchgeführt. Die Kinder entwickelten sich in ihrem sozialen Verhalten und ihrer Einstellung keineswegs gleich. Während die einen neurotische Verhaltensweisen zeigten und schlimmstenfalls in die Kriminalität abrutschten, entwickelten die anderen sogar eine besondere Stärke im zwischenmenschlichen Umgang. Man bezeichnet dies als »Resilienz«.
    Ohnehin können wir in der Erinnerung nicht alles erfassen, was damals auf uns eingewirkt hat. Vielleicht gab es trotz des Kummers doch einen liebevollen Menschen, der vieles aufgefangen hat, zum Beispiel ein Lehrer, eine Freundin oder die Großmutter. Oder wir waren in der Lage, gut zu kompensieren. Mithilfe unserer Fantasie, der Flucht in die Welt der Bücher oder dem Erfolg in der Schule haben wir uns selbst gestärkt.
    Sie können sich den praktischen Schritten aus der Einsamkeit auch zuwenden, ohne vorher zurückzuschauen. Nur müssen Sie sich dabei wirklich sicher sein, dass sich Ihre derzeitige Einsamkeit nicht auf tiefgehende Wurzeln zurückführen lässt. Sonst bleibt alles weitere nur ein Kurieren am Symptom. Entscheiden Sie also selbst, ob Sie sich im Folgenden auf Ihre Vergangenheit einlassen möchten.

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Die Wunden der Vergangenheit heilen
    S tellen Sie sich vor, Sie sitzen in einer Konferenz. Ihr Chef äußert sich wohlwollend zu den Wortmeldungen der anderen. Doch immer wenn Sie etwas sagen, übergeht er das schweigend als wären Sie Luft. Oder: An einem heißen Tag sind Sie im Schwimmbad. Sie fühlen Sie sich ein bisschen unsicher, weil Sie nicht gerade eine Bikini-Figur haben. Da kichern hinter Ihnen zwei Jugendliche: »Guck mal die Dicke da!«
    Was glauben Sie, was in Ihnen abläuft? Ich bin sicher,
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