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Alkor - Tagebuch 1989

Titel: Alkor - Tagebuch 1989
Autoren: Walter Kempowski
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Ein mit blau-gelb-roter Schärpe drapierter, unangenehm aussehender Mensch gab es bekannt. Ihn sofort umzulegen, war wohl richtig, und doch hätte man gern gewußt, was er noch alles vorhatte. Flucht, China? Oder was? Hatte er Geld in Koffern mit, oder gar Goldbarren? Eine groteske Sache.
    Das verwirrte Tüterband, mit dem sie gefesselt wurden. Er hatte sich bereits abgefunden mit allem, sie hat noch räsonniert. Hatte einen Briefumschlag bei sich, Geld? Schob ihn immer so auf dem Tisch hin und her.

Nartum
Di 26. Dezember 1989
    Ceauçescus Tod. Schlechte Berichterstattung. Man merkt, daß jetzt über Weihnachten keine Leute da sind: Suchen Sie mal was über Rumänien heraus, bitte.

    «Echolot»: Verschiedene Texte aus Ostpreußen vom Februar’45. Die Zustände auf der Frischen Nehrung:«Neben der Treppe lag ein toter Säugling.»
    Koeppen immer noch ausgezeichnet.
    Träume.
    Langer Mittagsschlaf (zwei Stunden!).
    Zuviel Kümmel gegessen.
    Ich habe mein Leben zuerst verblödelt, dann verrast. - Aber ein bißchen bleibt mir ja noch.
    Heute ist der Tag des Stephanus :
    Nach der Apostelgeschichte (6.1-8.2) wurde Stephanus in die Gruppe der sieben Diakone berufen, die sich um die Versorgung der griechisch sprechenden Witwen in der Jerusalemer Gemeinde kümmern sollte. - Stephanus wurde verhaftet, bekannte sich in einer großen Predigt vor dem Hohen Rat zu Christus und wurde von seinen Anklägern gesteinigt.

Nartum
Mi 27. Dezember 1989
    Bild: Der Schlächter im Persianer hingerichtet
    ND: Neue Regierung in Rumänien gebildet, doch vereinzelt noch Kämpfe
     
    Schön geträumt.
    Es wäre hübsch, ein Buch über den Luxus hochgekommener Tyrannen zu schreiben. Ceauçescu, Göring und die afrikanischen Potentaten, das Bett aus Gold usw. Wenn mir noch Zeit bleibt, werde ich das vielleicht tun.
    Ich sehe noch die Filmaufnahme, wie sie dem rumänischen Diktator einen Regierungs-Marschallstab überreichen … ob er das annehmen soll? fragt er sich, dreht und wendet das Ding. Soso, also, wenn ihr meint? (War wohl nicht prächtig genug?)
    Die ihm zu Lebzeiten dargebrachten Lobhudelungen«Titan der Titanen»usw. werden jetzt durch Flüche ersetzt.

    1999: Der Regierungspalast des Titanen soll vollendet werden, obwohl kein Mensch weiß, was damit anzufangen ist. Aber abreißen das Dings, das geht auch irgendwie nicht. Bei uns hätten sie ein Mahnmal daraus gemacht.
     
    Dem Marschall Stalin wurde auch einmal eine goldstrotzende Uniform vorgeschlagen. Das hat der Georgier abgelehnt, er hatte es mehr mit Blut als mit Gold.
    Hitler hat bekanntlich jeglichen persönlichen Prunk abgelehnt, obwohl man ihn in seinen guten Jahren auch einmal in einem weißen Jackett sah. Sein Berghof geht wohl auf das Konto von Albert Speer. Er trug das Eiserne Kreuz, sonst nichts, und das hat den Leuten imponiert. Manchmal konnte er nicht widerstehen, da heftete er sich auch noch das Verwundetenabzeichen an und das Goldene Parteiabzeichen und steckte sich einen Adler mit Hakenkreuz auf den Schlips. Am Ärmel in späteren Jahren auch den Hoheits-Adler. Und der Berghof? Ich möchte sagen, der bewegte sich noch im Rahmen des Normalen. Daß man ihm ein Teehaus baute, dafür konnte er nichts.
    Nietzsche: Der Hang zum Luxus geht in die Tiefe eines Menschen. Er verrät, daß das Überflüssige und Unmäßige das Wasser ist, in dem seine Seele am liebsten schwimmt.
    TV: Hühnchen in Essig.
    Die Katholiken gedenken heute des Johannes.
    Der Apostel und Evangelist Johannes gilt als Verfasser des Johannes-Evangeliums, der Johannes-Briefe und der Johannes-Offenbarung. … Nach der Überlieferung wirkte Johannes später in Ephesus und wurde unter Kaiser Domitian auf die Insel Patmos verbannt, wo er die Offenbarung schrieb. Nach seiner Rückkehr nach Ephesus soll er dort das Evangelium und die Briefe geschrieben haben und um das Jahr 100 n. Chr. gestorben sein.
    Das Fest- ursprünglich verbunden mit dem Gedenken an seinen Bruder Jakobus - reicht im Osten bis in das 4. Jahrhundert zurück. Der Legende nach hat er, um einen heidnischen Priester zu bekehren, ohne Schaden einen Becher vergifteten Weins getrunken.

Nartum
Do 28. Dezember 1989
    Bild: Ceauçescu / Er war ein Ungeheuer/Die Beweise: Vergewaltigungszimmer für den Sohn/Größte Pornosammlung der Welt/Jeden Tag 6-Gänge-Menü, aber Babys erfroren in der Klinik / Er badete nur in Mineralwasser (West) / Er raubte Museen aus wie Göring / Hochmütig ging er in den Tod
    ND: Vertreter der Regierung stets an den Runden
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