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Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Alicia - Gefaehrtin der Nacht

Titel: Alicia - Gefaehrtin der Nacht
Autoren: Kerstin Michelsen
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nun genau die erhabene Haltung angenommen, die von ihm erwartet wurde und die ich an ihm so sehr liebte und bewunderte. Ich schalt mich stumm für die Bedenken, die ich insgeheim wegen Laureans fehlendem Kampfesmut gehegt hatte. Wie hatte ich daran zweifeln können, dass er uns in diese Schlacht führen würde? Wir würden siegreich sein, mit oder ohne Alesh, so versuchte ich es mir zumindest einzureden.
    «Hinab in die Gruft», befahl Laurean und setzte sich als Erster in Bewegung. «Wir warten den Einbruch der Dunkelheit ab, dann brechen wir aus und fallen über die feigen Mönche her!»
    Alle folgten ihm zur Treppe, dann stiegen wir eilig einer nach dem anderen hinab in die Gruft. Vier Suprimat, die den Befehl hatten, die geheime Tür hinter uns zu verschließen, blieben am oberen Treppenabsatz stehen. Sie hielten Wache und würden Meldung machen, falls die Mönche den versteckten Eingang entdeckten und einzudringen versuchten. Die übrigen Salizaren versammelten sich am Grund der Felsenhöhle, während Laurean und ich auf der Empore stehenblieben. Es war ein ungewohnter Zeitpunkt für eine Versammlung, da sie sonst nur nachts stattfanden. Am Tage waren es die Salizaren gewohnt zu ruhen. Nur ihr Geist wanderte durch die Träume der Menschen. Nun sahen sie mit ihren taggrauen Augen zum Fürsten hinauf, eine nackte und verletzliche Herde, die ohne die Entschlossenheit des Leittieres verloren ist.
    « Salizaren, hört mich an, die Zeit des Kampfes ist gekommen! Wir warten ab, bis die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, dann öffnen wir die Gänge der Grotte und greifen an.»
    Jeder einzelne von uns wusste, was diese Worte bedeuteten: Sobald die Gruft geöffnet war, wäre sie nicht länger geheim, und die unterirdische Zufluchtsstätte der Salizaren wäre verloren. Sie hatte dem Stamm für lange Zeit als Heimat und Rückzugsort gedient, seitdem Androlus und Geser vernichtet worden waren und Laurean die Rolle des Fürsten übernommen hatte.
    Normalerweise betraten wir die Salizarenhöhle durch die Villa, die zur Tarnung über dem Haupteingang erbaut worden war. Für den Fall eines Angriffs hatte der Stamm eine Vielzahl von weiteren Ausgängen angelegt, denn der Umstand, dass sie nicht hatten fliehen können, war ihnen bereits einmal zum Verhängnis geworden. Sobald wir die Ausgänge von innen heraus freigruben, würden die Erdlöcher sich nicht wieder verschließen lassen und die Höhle würde bald von den Menschen entdeckt werden. Nun galt es also, alle Spuren zu beseitigen, das wurde mir bewusst, noch ehe Laureans kurze Ansprache geendet hatte. Alle Blutsklaven und Ammen, auch der unfertige Nachwuchs musste vernichtet werden. Wir duften nichts und niemanden zurücklassen.
    Eilig erteilte der Fürst der Salizaren die notwendigen Befehle und sofort kam Bewegung in die Menge. Eine ungewohnte Erregung erfasste die Suprimat und Nobilat, sogar die Inzepat durften teilhaben, denn die Kampfeskraft und Entschlossenheit jedes Einzelnen wurde benötigt. Innerhalb kurzer Zeit wurde eine verängstigte Schar in die Mitte der Gruft geführt. Ihre Wärter bildeten einen unbarmherzigen Ring und warteten auf Laureans Anweisungen. Doch zuerst wandte er sich an mich.
    «Du weißt, was wir tun müssen?», fragte er.
    «Ja», sagte ich.
    «Du musst dich ebenfalls stärken, das weißt du.»
    «Ja, Herr. Ich werde dir immer folgen», antwortete ich und bog den Hals einladend zur Seite. Laureans lachte heiser.
    «Es ist Tag, Alicia, ich kann dich nicht beißen, so sehr ich es mir auch wünsch te, denn für mich ist dein Blut immer das süßeste gewesen. Doch nun höre mir zu. Ich bin dein Fürst und Gebieter und ich befehle dir, mir nicht zu folgen. Du kennst die Weissagung, dass es bald eine Salizarenfürstin geben wird. Erinnerst du dich?»
    Ich starrte Laurean an. Die Iris seiner Augen war hellgrau, beinahe durchscheinend, aber sie blickten nun nicht mehr traurig. Ich spürte, dass er mich mit aller Liebe betrachtete, zu der ein Salizar überhaupt fähig sein konnte.
    « Aber, was redest du denn da? Du bist unser Fürst und wirst es für immer sein!», stotterte ich.
    Laurean schüttelte den Kopf.
    «Was ist mit Alesh? Hast du das vergessen? Er ist in der Hand der Mönche. Wir werden verlieren, Alicia.»
    Ich wollte es nicht hören, am liebsten wäre ich dem kindischen Impuls gefolgt, mir die Hände auf die Ohren zu drücken. Aber ich war eine Kriegerin, ich war eine Salizarin, und ich würde meinen Gefährten nicht
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