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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König
Autoren: Josephine Tey
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Jahrhundert?«
    »Ist mir nichts bekannt.«
    »Und weshalb sollten Sie es dann nicht tun?«
    »Aber verstehen Sie denn nicht, daß das dann nicht mehr dasselbe ist? Das ist doch keine große Entdeckung mehr!« Das Wort »Entdeckung« schien riesengroße Buchstaben zu haben.
    Grant lächelte. »Aber, aber! Die großen Entdeckungen liegen nicht am Straßenrand und warten darauf, von Ihnen aufgehoben zu werden. Wenn Sie schon kein Pionier sein können, warum führen Sie dann keinen Kreuzzug?«
    »Einen Kreuzzug?«
    »Aber sicher.«
    »Gegen was denn?«
    »Gegen verlogene Geschichtsschreibung.«
    Die Erstarrung auf dem Gesicht des Jungen wich plötzlich einem Schmunzeln, als habe er eben einen Witz begriffen.
    »Wenn seit dreihundertfünfzig Jahren Leute darauf hingewiesen haben«, fuhr Grant fort, »daß Richard seine Neffen nicht ermordet hat, und wenn ein Schullehrbuch noch heute kommentarlos mit dürren Worten behauptet, er habe es doch getan, dann finde ich es höchste Zeit, daß Sie sich an die Arbeit machen.«
    »Aber was kann denn ich ausrichten, wenn Leute wie Walpole nicht gehört werden?«
    »Denken Sie nur an den steten Tropfen, der den Stein höhlt.«
    »Mister Grant, im Augenblick habe ich aber das Gefühl, als ob es bei mir nur sehr spärlich tröpfelte.«
    »Ja, so sehen Sie auch aus. So was von Selbstbemitleidung ist mir noch nicht vorgekommen. Mit dem Gesicht können Sie die britische Öffentlichkeit nicht wachrütteln. Sie haben ohnehin einen sehr schwachen Stand.«
    »Meinen Sie, weil ich noch nie ein Buch geschrieben habe?«
    »Nein, das macht überhaupt nichts. Bei den meisten Autoren sind die ersten Bücher die besten. Das sind nämlich die, die sie wirklich schreiben wollten. Nein, ich meinte, daß alle Leute, die seit ihrer Schulzeit kein Geschichtsbuch mehr in die Hand genommen haben, jetzt auf einmal glauben werden, ihren Senf zu Ihrem Buch geben zu müssen. Man wird Sie bezichtigen, Richard reinzuwaschen. Reinwaschen hat eine geringschätzige Bedeutung, die das Wort ›Rehabilitierung‹ nicht hat, und deshalb wird man hier von Reinwaschen sprechen. Einige wenige werden im Lexikon nachblättern und sich dann für berufen halten, in der Angelegenheit noch ein wenig weiterzugehen. Und diese Leute werden Sie nicht nur heruntermachen, sie werden Sie in der Luft zerpflücken. Und die ernsthaften Historiker werden Sie einfach links liegenlassen.«
    »Bei Gott, die werde ich zwingen, mir Beachtung zu schenken!« sagte Carradine.
    »So ist es recht! Das ist schon eher der Geist, mit dem man Weltreiche schafft. Hatten Sie mit Ihrem Buch schon angefangen, als Sie draufkamen, daß das Thema nicht mehr so originell ist?«
    »Ja, ich hatte zwei Kapitel geschrieben.«
    »Und was haben Sie damit gemacht? Sie haben sie weggeschmissen, als Sie der furchtbare Schlag traf. Stimmt doch?«
    »Nein, aber ich hätte es fast getan. Beinahe hätte ich sie in den Kamin geworfen.«
    »Und was hielt Sie davon ab?«
    »Es war ein elektrischer Kamin.« Carradine streckte seine langen Beine gemütlich von sich und fing zu lachen an. »Bruderherz, ich fühle mich schon wieder besser. Ich kann es kaum mehr abwarten, der britischen Öffentlichkeit ein paar Binsenwahrheiten an den Kopf zu werfen. Carradine I. fiebert in meinem Blut.«
    »Scheint mir ein sehr virulentes Fieber zu sein.«
    »Er war der rücksichtsloseste alte Gauner, der jemals Bäume fällte. Als Holzknecht hat er angefangen, und mit einem Renaissanceschloß, zwei Jachten und einem Salonwagen hat er aufgehört. Ich meine, mit einem Sonderzug. Der hatte grüne Seidenvorhänge mit Quasten, und die Intarsien in den Abteilen müssen Sie einfach gesehen haben. Toll, sag ich Ihnen. Man hat allgemein geglaubt, das Carradine-Blut sei träge geworden. Vor allem Carradine III. hat es geglaubt. Aber ich fühle mich im Augenblick ganz Carradine I. Ich weiß genau, wie dem alten Knaben ums Herz war, wenn er einen bestimmten Wald kaufen wollte und jemand ihm sagte, er könne ihn nicht haben. Bruderherz, Ihr werdet noch was erleben.«
    »Das ist aber hübsch«, sagte Grant milde. »Ich hatte mich schon so auf die Widmung gefreut.« Er nahm seinen Schreibblock vom Nachttisch und reichte ihn Brent.
    »Ich habe hier eine polizeiliche Aufstellung gemacht. Vielleicht hilft sie Ihnen weiter?«
    Carradine nahm sie und betrachtete sie mit gebührender Ehrfurcht.
    »Sie können das Blatt abreißen und mitnehmen. Ich brauche es nicht mehr.«
    »Wahrscheinlich werden Sie in ein, zwei
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