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Alibi für einen König

Alibi für einen König

Titel: Alibi für einen König
Autoren: Josephine Tey
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Heimat-Schwarte. Soweit aus dem ersten Absatz ersichtlich, hatte sich seit Silas letztem Buch nicht viel geändert: Mutter liegt mit ihrem elften oben in Wehen, Vater liegt nach seinem neunten im Parterre, ältester Sohn liegt im Streit mit Behörden, älteste Tochter liegt mit Liebhaber in der Scheuer, und alles andere liegt im argen. Vom Strohdach trieft der Regen, vom Misthaufen dampft der Kuhdung. Es lag nicht an Silas, daß dieser Dampf das einzige aufstrebende Element im Gesamtbild war. Wäre Silas eine Dampfsorte bekannt gewesen, die nach unten dampft, er hätte sie gewiß in seinem Roman verwendet.
    Auf die harten Schatten und Lichter von Silas’ Schutzumschlag folgte eine elegante Fin-de-Siècle-Schnörkelei mit albernen Barockeinflüssen, die »Glöckchen an ihren Fußspitzen« betitelt war und worin Rupert Rouge sich neckisch über das Laster ausließ. Auf den ersten drei Seiten brachte Rupert Rouge einen immer zum Lachen. Von Seite drei ab merkte man jedoch, daß Rupert von jenem überaus neckischen (aber natürlich nicht lasterhaften) Geschöpf George Bernard Shaw gelernt hatte, daß man auf die müheloseste Weise witzig erscheinen kann, wenn man sich der billigen und naheliegenden Methode des Paradoxons bedient. Und dann wußte man auch schon genau, welcher Witz im übernächsten Satz fällig war.
    Das Ding mit dem roten Mündungsfeuer auf dem nachtgrünen Umschlag war Oscar Oakleys neuestes Produkt. Schwere Jungen, die in synthetischem Amerikanisch, ohne Witz und Würze, aus dem Mundwinkel kauderwelschen. Blondinen, chromblitzende Bars, halsbrecherische Verfolgungsjagden. Beachtenswerter Quatsch.
    »Das Geheimnis des Büchsenöffners« von John James Mark hatte schon auf den ersten zwei Seiten drei kriminalistische Kardinalfehler aufzuweisen und verschaffte Grant wenigstens fünf fröhliche Minuten, in denen er in Gedanken einen Brief an den Autor aufsetzte.
    An das schmale blaue Bändchen, das zu unterst lag, konnte er sich nicht recht erinnern. Es mußte sich um etwas Seriöses und Statistisches handeln. Tsetsefliegen oder Kalorien oder sexuelles Verhalten oder so was Ähnliches.
    Aber sogar bei solchen Büchern wußte man schon, was einen auf der nächsten Seite erwartete. Fällt denn niemandem auf dieser Welt jemals auch nur hie und da eine neue Masche ein? War denn heute jeder an eine Formel gekettet? Die heutigen Autoren schrieben so schematisch, daß ihr Publikum es gar nicht mehr anders von ihnen erwartete. Man sprach von einem »neuen Silas Weekley« oder einer »neuen Lavinia Fitch« nicht anders als von einem »neuen Ziegelstein« oder einer »neuen Haarbürste«; nie war von einem »neuen Buch von« die Rede, wer immer es auch verfaßt haben mochte. Das Interesse galt nicht dem Buch, sondern nur noch der Neuerscheinung. Und man wußte von vornherein, wie das Buch sein würde.
    Als Grant den Blick angewidert von diesem zusammengewürfelten Haufen abwandte, schien es ihm ein verlockender Gedanke, daß alle Druckpressen der Welt eine Generation lang stillstehen blieben. Eine literarische Stagnation müßte einsetzen. Irgendein Übermensch müßte einen Strahl erfinden, der alle Druckpressen gleichzeitig zum Stillstand brächte. Dann könnten einem die Leute nicht mehr ganze Haufen konzentrierten Blödsinns schicken, wenn man auf dem Rücken liegen mußte, und die Meißner Porzellankommandeusen könnten dann nicht verlangen, daß man das Zeug läse.
    Er hörte die Tür aufgehen, rührte sich aber nicht. Er hatte buchstäblich und in übertragenem Sinn das Gesicht zur Wand gekehrt.
    Er hörte jemanden auf sein Bett zukommen und schloß die Augen, um jedem Gespräch aus dem Weg zu gehen. Ihn verlangte in diesem Augenblick weder nach dem Mitgefühl Gloucestershires noch nach der Forschheit Lancashires. In der nun folgenden Stille stieg ihm ein zarter Wohlgeruch in die Nase, eine wehmütige Erinnerung an die Blumenfelder von Grasse. Er genoß diesen Duft und überlegte. Die Zwergin roch nach Lavendel und Talkumpuder, die Amazone nach Seife und Jodoform. Was aber hier so köstlich um seine Nasenlöcher wogte, war teures L’Enclos Numéro Cinq. Marta Hallard.
    Er öffnete ein Auge und blinzelte sie an. Sie hatte sich über ihn gebeugt, um festzustellen, ob er schliefe, und stand nun unentschlossen – soweit man Unentschlossenheit und Marta überhaupt in einem Atem nennen durfte – neben seinem Bett, den Blick nachdenklich auf den Stapel allzu jungfräulich aussehender Veröffentlichungen auf dem
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