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Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Alcatraz und die dunkle Bibliothek

Titel: Alcatraz und die dunkle Bibliothek
Autoren: Brandon Sanderson
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versuchte meine Gedanken zu ordnen – und meine Gefühle. Es war schwierig, die einzelnen Emotionen voneinander zu trennen und zu benennen – Reue, Aufregung, Wut, Verwirrung. Ich konnte einfach nicht glauben, dass Grandpa wirklich wollte, dass ich bei Joan und Roy blieb. Mein Blick streifte das Haus. »He, da ist ja gar kein Loch mehr in der Wand!«
    »Die Bibliothekare werden dafür gesorgt haben, dass es repariert wurde, bevor deine Pflegeeltern nach Hause gekommen sind. Sie versuchen immer, möglichst wenig Aufsehen zu erregen und im Verborgenen zu agieren. So etwas wie dieses Loch hätte viel zu viel Aufmerksamkeit auf das Haus gelenkt und damit auch auf dich.«
    »Wird es nicht gefährlich für mich sein, wenn ich hier bin?«
    »Wahrscheinlich schon«, gab Grandpa Smedry zu. »Aber für dich wird es überall gefährlich sein. Außerdem verfügen wir über einige … Mittel, durch die wir dafür sorgen können, dass du hier sicher bist. Zumindest für eine Weile.«
    Ich nickte langsam.
    »Sie werden sich bestimmt freuen, dich zu sehen, Junge«, fügte Grandpa Smedry aufmunternd hinzu.
    »Da wäre ich mir nicht so sicher. Immerhin habe ich ihre Küche abgefackelt.«
    »Es käme auf einen Versuch an.«
    Ich schüttelte den Kopf und gestand leise: »Ich habe es immer noch nicht unter Kontrolle, Grandpa. Mein Talent, meine ich. Ich dachte wirklich, ich hätte langsam den Dreh raus, aber ich mache nach wie vor alles Mögliche kaputt – auch Dinge, die ich gar nicht kaputt machen will.«
    Grandpa Smedry lächelte. »Das mag schon sein. Aber als es darauf ankam, hast du diese Feuerspenderlinse genau richtig beschädigt. Du hast sie nicht einfach zerbrochen oder dafür gesorgt, dass sie nicht mehr funktionierte. Du hast dafür gesorgt, dass ihre Funktion gestört, aber gleichzeitig genau richtig für deine Zwecke war. Das ist doch sehr vielversprechend, mein Junge.«
    Wieder sah ich nervös zum Haus der Sheldons hinüber. »Du … wirst mich doch irgendwann holen kommen, oder?«
    »Aber natürlich, mein Junge!«
    Ich holte tief Luft. »Also gut. Willst du die Übersetzerlinsen mitnehmen?«
    »Sie sind dein Erbe, Alcatraz. Das wäre nicht richtig. Behalte sie bei dir.«
    Ich nickte. Grandpa Smedry beugte sich lächelnd vor und umarmte mich. Ich drückte mich fest an ihn – wahrscheinlich fester, als ich ursprünglich geplant hatte.
    Ein Großvater, Cousins, vielleicht sogar ein Vater, dachte ich. Jetzt habe ich eine Familie.
    Schließlich ließ ich los und stieg aus dem Wagen. Noch einmal betrachtete ich zweifelnd das Haus. Ich hatte schon immer eine Familie, dachte ich. Nicht immer die Sheldons, aber immer irgendjemanden. Leute, die bereit waren, mir ein Heim zu geben. Es wird wohl langsam Zeit, dass ich mir das eingestehe.
    Ich schlug die Autotür zu und beugte mich zum offenen Fenster hinunter.
    »Sieh zu, dass du nichts kaputt machst!«, mahnte Grandpa Smedry.
    »Komm mich einfach bald holen«, gab ich zurück. »Und komm nicht zu spät.«
    »Ich? Zu spät kommen?«, empörte er sich.
    Dann klopfte er auf das Armaturenbrett, und der Motor sprang an. Ich beobachtete, wie das Auto anfuhr, und starrte ihm hinterher, bis es nicht mehr zu sehen war. Dann ging ich die Straße hinauf, bis ich das Haus erreichte. Als ich schließlich vor der Tür stand, zögerte ich.
    Es hing immer noch ein leichter Brandgeruch in der Luft.
    Ich klopfte. Roy öffnete die Tür. Für einen Moment stand er einfach nur da, fassungslos. Dann schrie er überrascht auf, zog mich in seine Arme und rief: »Joan!«
    Sie kam um die Ecke, offenbar war sie gerannt. »Alcatraz?«
    Roy ließ mich los und reichte mich weiter, sodass sie mich an sich drücken konnte.
    »Als die Sachbearbeiterin angerufen und gefragt hat, wo du steckst … da haben wir gedacht, du wärst weggelaufen und auf Nimmerwiedersehen verschwunden, Kleiner«, erklärte Roy aufgeregt.
    »Du bist doch nicht in irgendwelche Schwierigkeiten geraten, oder?«, fragte Joan mit einem strengen Blick.
    Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich habe zwei Stockwerke eingerissen, eine Wand und ein paar Türen, glaube ich. Also nichts Dramatisches.«
    Joan und Roy sahen sich vielsagend an, dann lächelten sie und zogen mich ins Haus.
    Ein paar Stunden später, nachdem ich ihnen einige plausible Lügen darüber aufgetischt hatte, wo ich gewesen war, nach einem guten Essen und nachdem ich ihrem Flehen nachgegeben hatte, zumindest noch ein bisschen länger bei ihnen zu bleiben, ging ich
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