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Albspargel

Albspargel

Titel: Albspargel
Autoren: Günther Bentele
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meinen Einwand nicht.
    Ich aß mein deutsches Essen. Warum hieß das eigentlich Jägerschnitzel? Kein Pilz auf der Gabel, in der ganzen Soße schwamm keiner – und ich dachte an Pizza vongole.
    Herr Mazzuoli ließ nicht locker.
    Ich bestellte ein zweites Bier.
    »Steht Ihr Wagen drüben bei der Kirche, Herr Doktor?«
    »Ich bin nicht von hier. Aber ich bin in Tigerfeld aufgewachsen«, sagte ich, »manchmal jedenfalls.«
    Was, zum Teufel, ging diesen Mannheimer Sizilianer meine Herkunft an! Und warum, zur Hölle, gab ich ihm überhaupt Auskunft?
    Am Nachbartisch wurde es laut – Autoreifen, Bundesliga, Abseits, Beschiss, Diät, Lidschatten, Handtaschen. Oder alles zusammen. Sonntag mit Einkehr.
    Der Wirt schwieg.
    Am Nachbartisch wurde es noch lauter.
    »Nächsten Mittwoch, also noch in dieser Woche, findet hier die Versammlung statt wegen des Windrads, Herr Dr. Fideler, Sie kommen doch auch?«
    Er wusste, wozu ich hier war. Wozu dann das anfängliche Versteckspiel?
    »Eine Versammlung noch in dieser Woche?«
    Ich war überrascht. Ich hatte nichts davon gewusst. Allerdings kümmerte ich mich wenig um solche Ereignisse, wenn ich nicht selbst als Experte dazu eingeladen war. Und dafür war es zu früh.
    Sie war mir gleichgültig, diese Versammlung: Die eine Gruppe von Schreihälsen wird dafür sein, die andere dagegen – beide ohne wirkliche Sachkenntnis. Freilich, jeder Haufen hätte einen Experten dabei, und jeder Experte würde genau das sagen, was sein Haufen von ihm verlangte.
    Meine Meinung? Ich war Windexperte, nur das. Meine Meinung hätte ich in diesem Fall erst noch genauer verifizieren müssen; bis Mittwoch war das nicht zu schaffen.
    »Es wird hoch hergehen«, meinte der Wirt, als redete er von einer Fußballübertragung, »und Sie als Windexperte!«
    Es war deutlich, dass er mein Urteil, zumindest aber meine Meinung hören wollte. Ja, es schien mir jetzt, als hätte er von Anfang an darauf losgesteuert.
    »Ja, wenn Sie es schon wissen, Herr Mazzuoli: Ich bin Meteorologe, Spezialist für Windströmung, ganz richtig.«
    Wirte müssen das denken, was der Gast denkt, das ist so und muss so sein, dachte ich. Der Wirt ist Wirt und muss seine Gäste bedienen. Aber ich war Windexperte und musste meine Wissenschaft bedienen.
    »Sie kommen weit herum, Herr Dr. Fideler.«
    »Ja«, sagte ich und nahm einen Schluck.
    »Sie haben Zeit, Sie sind sicher bald im Ruhestand«, redete er weiter.
    Traurig, aber man sieht mir mein Alter an.
    Inzwischen hatte sich Herr Mazzuoli zu mir gesetzt.
    »Ja«, sagte ich mit gleichmütiger Stimme, obwohl mir seine Fragerei auf die Nerven ging.
    »Sie halten sich bedeckt?«
    »Bedeckt ist nur der Himmel«, sprach ich als Meteorologe.
    »Also?«
    »Ein Windrad soll gebaut werden«, sagte ich langsam. »Ein sehr hohes Windrad.«
    Ich schwieg. Das wusste er ja schon alles selbst.
    »Und?«
    »Nichts und«, sagte ich und nippte am Bier, »das bringt überall Unfrieden.«
    Er rückte näher, seine Stimme wurde lauter. »Wir brauchen das Windrad.«
    Wir redeten noch eine Zeit lang hin und her. Der Mann strampelte sich offensichtlich ab, um von mir ein positives Urteil zu bekommen. Aber ich bin Wissenschaftler, Naturwissenschaftler.
    Der Nachbartisch hatte bezahlt, sie setzten ihren Streit im Auto fort. Am Fenster brummte eine dicke Schmeißfliege und stieß immer wieder gegen die Scheibe.
    Der Wirt bot mir einen Schnaps an auf Kosten des Hauses. Ich lehnte ab: weil ich noch fahren müsse. Dabei war ich zu Fuß.
    »Das Wichtigste bei einem Windrad ist der Wind, also?«, beharrte er und starrte mich an, unsicher und besserwisserisch zugleich.
    »Das Wichtigste bei einem Windrad ist der Wind, ganz recht«, redete ich mit der Stimme eines Experten. Dann fügte ich hinzu: »Ich meine den Wind, der weht, nicht den, der gemacht wird.«
    »Es sind Fachleute da«, sagte er eifrig, »sie werden reden. Beide Seiten bieten Experten auf. Sie wären doch der wichtigste, der Schiedsrichter.«
    »Der Schiedsrichter ist nie der Wichtigste. Er ist nur ein Werkzeug. Es wird hoch hergehen, Sie haben es gesagt«, antwortete ich.
    »Ja«, beeilte er sich zu sagen, »da wäre es doch gut, wenn –« Er unterbrach sich und sah mich an.
    »Es ist immer gut, wenn –«, erwiderte ich sarkastisch und ging zur Türe.
    »Ich verstehe nicht recht«, sagte er verwundert.
    »Das alles ist höchst kompliziert, ganz recht.«
    »Sie müssen kommen, gerade Sie müssen doch da sein am Mittwoch.« Er wiederholte sich. »Herr Dr.
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