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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten
Autoren: Amanda Cross
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es ist ja nicht falsch, wenn große Firmen sich verteidigen, aber manche Verfahren – nimm zum Beispiel die Prozesse wegen giftiger Chemieabfälle und Umweltver-schmutzung – sind so abstoßend, daß nicht einmal die ehrgeizigsten Juristen daran arbeiten wollen. Oder eine Kanzlei hat mit einer Fir-menfusion zu tun, die niemandem nützt, bei der es vielleicht um goldene Fallschirme geht, oder was weiß ich. Es scheint jedenfalls nicht einen Sechzehnstundentag von hochintelligenten Männern und Frauen wert zu sein.«
    »Mein Lieber, du klingst wie Leo.«
    »Natürlich tue ich das; Leo hat recht.«
    »Warum lassen sich die großen Gesellschaften nicht einfach auf Vergleiche ein?«
    »Weil das Millionen anderer Leute ermutigen könnte, ebenfalls kleinere Verfahren anzustrengen. Und das würde ins Geld gehen.«
    »Sicher, Toby. Aber nach all den Jahren wird dich das doch nicht entmutigen.« Kate sah ihn an und war beunruhigt. Toby gehörte zu den Leuten, die immer da waren. Er war mit einem ihrer Brüder, aber nicht Larry, in Harvard gewesen, und irgendwie gehörte er zur Familie; ungefähr so wie der Junge in ›Brideshead Revisited‹, der immer da war, wenn irgend etwas passierte. Kate hatte den Anfang dieser BBC-Serie geliebt und das Ende gehaßt, so wie sie auch das Ende des Buches gehaßt hatte. Anders als sein Gegenstück in ›Brideshead‹ war Toby bis zum Ende sympathisch geblieben. Während Kate dem Ober beim Tellerwechseln zusah und sich ein Stück Schmalzgebäck nahm, das Toby ihr sehr empfohlen hatte, dachte sie darüber nach, daß er den Tod seiner Frau wohl nie überwunden hatte. Sie war an einem Silvesterabend auf dem Heimweg von einer Party umgekommen, an der Toby wegen einer Grippe nicht hatte teilnehmen können. Sie war mit einem Betrunkenen zusammenge-stoßen, der mit hundertdreißig auf der falschen Straßenseite fuhr.
    Kate wußte nicht viel über seine Ehe und war auch mit seiner Frau nie besonders warm geworden; jetzt wurde ihr bewußt, daß sie ihn in den letzten Jahren sehr selten gesehen hatte.
    »Ich habe mir angewöhnt, über belanglose Dinge zu reden, und das sogar mit großer Lebhaftigkeit«, sagte er, »weil es wohl zu lange her ist, daß ich mit jemandem über etwas gesprochen habe, was wichtig war. Natürlich meine ich nicht juristische Dinge. Und als alter Egoist meine ich auch nicht die Probleme anderer Leute. Da die Juniorpartner und Kollegen schwerlich mit Larry über irgend etwas reden können, kommen sie meistens zu mir. Auf dem Briefkopf stehe ich nämlich als Nächster.«
    »Und mit dir kann man verdammt gut reden. Ich kenne dieses Syndrom«, sagte Kate. »Du nimmst alles in dich auf und gibst nichts von dir. Und wenn ich nicht mit Reed reden könnte… Hast du mal daran gedacht, wieder zu heiraten?«
    »Kate, das ist es, worüber ich mit dir sprechen wollte. Und frage bitte nicht: ›Warum ich?‹ Als Larry mir erzählte, daß er dich zu seiner blöden Party einladen wollte, ist es mir plötzlich bewußt geworden: Na klar, mit Kate muß ich reden. Warum ist mir das nicht früher eingefallen? Ich habe viel mit Lillian geplaudert und oft an dich gedacht, aber erst durch Larrys dummes Gerede bin ich darauf gekommen, daß du genau der Mensch bist, den ich brauche. Sicher habe ich daran gedacht, wieder zu heiraten. Aber zur Zeit lebe ich mit Charlotte Lucas zusammen.«
    »Die, die verschwunden ist?«
    »Genau die. Nur, daß sie nicht verschwunden ist. Das war so ein Plan, der leider schiefgegangen ist.« Toby schob das Essen auf seinem Teller hin und her und legte schließlich die Gabel nieder. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie es mir ging, nachdem Patricia ums Leben gekommen war. Ich meine, sie war einfach nicht mehr da. Ich will nicht behaupten, daß wir eine der idealsten Ehen der Welt ge-führt haben, soweit es ideale Ehen überhaupt gibt, aber sie funktionierte, wie man so sagt, und wir sind eben so nebeneinanderherge-laufen. Ich habe Stunden gearbeitet; sie spielte Cello und studierte Sprachen, als die Kinder groß waren. Du kennst das ja, obwohl ich mich immer wieder darüber wundere, wie du all dem entgehen konn-test. Plötzlich war sie nicht mehr da. Es war niemand da, wenn ich nach Hause kam. Es war niemand da, der wußte, wer Larry war. Es war niemand da, der einen Wahnsinnswirbel machte, wenn es um eine Party von Kollegen ging. Mein Gott, Kate, du weißt bestimmt, was ich meine. Meine Söhne und besonders auch ihre Frauen waren sehr nett und haben mich sonntags
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