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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten
Autoren: Amanda Cross
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stachelig sein?«
    »Ich mache mir Sorgen wegen der Gurus.«
    Lillian starrte sie an. »Das mag zwar ehrlich sein, Kate, aber es ist absolut unverständlich.«
    »Ich fürchte, du könntest eine von diesen Amerikanerinnen sein, die ihre Bestimmung suchen, einen Meister, einen Guru, eine Religion, ein erweitertes Bewußtsein – verdammt nochmal, Lillian, du weißt ganz genau, was ich meine.«
    »Ich weiß, was du meinst. Du mußt mir einfach glauben, Kate.
    Ich meine, ich kann dich nicht überzeugen, wenn du mir nicht glauben willst oder denkst, ich kenne mich selbst nicht oder so etwas ähnliches. Ich suche nicht nach meiner Bestimmung oder nach dem Sinn des Lebens; Gott weiß (nur ein Witz), daß ich keinen Meister oder Priester brauche. Ich kann dir nicht sagen, was ich will, weil ich nichts Wundervolles oder Mystisches suche. Ich will nur einfach Alberta finden.«
    »Angenommen, du findest sie, was dann?«
    »Wer weiß? Wahrscheinlich wird sie sagen: ›Nett, Sie kennengelernt zu haben. Ich gehe jetzt nach Afrika – oder China oder Arabien
    –, und ich gehe allein.‹ Ich träume nicht davon, daß sie sagt: ›So, Sie sind gekommen. Wir müssen etwas zusammen unternehmen‹.« Lillian sagte das so dramatisch, daß Kate lachen mußte. »Ich habe mich weder in irgendwelche Fantasievorstellungen verloren noch bin ich auf der Suche nach Antworten auf die Fragen des Lebens. Ich glaube nur, ich möchte Alberta finden. Und wenn ich sie gefunden habe –
    wenn ich sie überhaupt finde –, wer weiß, was dann? Wahrscheinlich werde ich dann ein Buch schreiben mit dem Titel ›Auf der Suche nach Alberta‹. Ich glaube, es hätte ganz konkrete Aussichten auf Erfolg, meinst du nicht auch?«
    Kate seufzte. Was war da noch zu sagen? Sie legte den übrigge-bliebenen Schinken mit Toast zu einem Sandwich zusammen und aß es mit Vergnügen. Sie stellte fest, daß sie sich gut fühlte; im Augenblick leben, diesem momentanen Gefühl, nicht gleich den Blick auf die nächsten Anforderungen des Lebens gerichtet halten. Empfand Lillian das auch so? Man konnte sich entweder um Lillian sorgen oder ihr vertrauen. Wie Kate merkte, hatte sie sich zum Vertrauen entschlossen.
    »So, das wäre also das«, sagte Kate schließlich, als abgeräumt worden war und sie ihren Kaffee tranken. »Ich bin froh, daß du es mir gesagt hast. Hast du alles, was du brauchst?«
    »Nicht ganz«, sagte Lillian und hielt ihre Tasse zwischen beiden Händen. »Könnte ich den Flugschein nach Indien über deine American-Express-Karte buchen lassen?«
    Einige Wochen später erhielt Charlie eine Postkarte aus Indien.
    Sie zeigte eine der üblichen indischen Szenen, eine typische Touri-stenpostkarte; so genau Charlie sie auch prüfte, sie konnte keinerlei Hinweis entdecken. Sie enthielt auch keine Nachricht. Aber dort, wo eine Nachricht hätte stehen können, fand sich ganz unten eine Unterschrift: »Alberta«.
    Charlie kam vorbei, um Kate die Karte zu zeigen. »Das sieht ihr ähnlich«, sagte Kate. »Nur keine Worte vergeuden.« Als sie Reed später davon erzählte, konnte sie es schon genauer erläutern. »Sie hat ja mehr oder weniger versprochen, keinerlei Verbindung zu unserer Welt mehr aufzunehmen; nur einfach zu verschwinden. Die einzige, der sie ein Lebenszeichen schicken konnte, ohne ihr Versprechen zu brechen, ist Charlie. Martin hat keine Verbindung zu Charlie. Und schließlich war es auch Charlie, die sie in England versetzt hatte, als sie zu Martin zurückflog. Das ist typisch Alberta. Und es beruhigt mich im Hinblick auf Lillian, im Hinblick auf alles.«
    Kurze Zeit später heirateten Charlie und Toby; im Büro von Dar
    & Dar wurden sie entsprechend gefeiert, ebenso bei einem Gala-Dinner, zu dem auch Reed und Kate eingeladen waren.
    Als der Sommer dem Ende entgegenging, war Toby nicht verwundert, daß Larry ihn beim Thema der jährlichen Herbst-Party für die Kanzleimitglieder wieder zu Rate zog. Aber diesmal hatte Larry keine Sorgen; er war selbstgefällig und zufrieden.
    »Ich weiß gar nicht mehr, warum ich letztes Mal so viel Wirbel um die Einladung meiner Schwester gemacht habe. Es hätte nicht den geringsten Unterschied gemacht, ob sie nun auf der Party war oder nicht, oder? Irgendwie war es ganz gut, sie zu sehen. Wir hatten ein nettes Gespräch miteinander. Ich hoffe, sie kommt wieder. Ein Mann sollte sein kleines Schwesterchen doch von Zeit zu Zeit sehen, nicht wahr, Toby?«
    Die ganze Zeit auf dem Nachhauseweg versuchte Toby sich dar-
    über
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