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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten
Autoren: Amanda Cross
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sie schon das Recht hatte, populäre Romane über die alten Griechen zu schreiben, solange sie ein hohes sprachliches Niveau hielt und nicht allzu viele Dinge erfand, für die sie keine historischen Belege hatte?«
    Kate nickte. Sie bot ihm schweigend noch einen Drink an. Sie hatte beschlossen, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen, wenn er ihn entgegennahm.
    »Ich kannte einmal jemanden, der als Kind Charlotte Stanton gekannt hatte«, sagte er überraschend. »Da Sie sie in Ihrer Anzeige zu suchen schienen, bin ich davon ausgegangen, daß auch Sie sie kannten.«
    »Leider muß ich sagen, daß ich sie nicht gekannt habe«, sagte Kate und reichte ihm sein Bier. »Eigentlich habe ich die Anzeige aufgegeben, weil ich mich fragte, wo sie wohl geblieben sei.«
    »Warum haben Sie sich das gefragt?« fragte er.
    »Eine Freundin von mir suchte nach ihr und konnte sie nicht finden«, sagte Kate. Das war ganz nahe an der Wahrheit. Eigentlich war es die Wahrheit.
    Martin nickte nur und trank. Obwohl Kate beabsichtigt hatte, den lauschenden Reed aus ihren Gedanken zu verbannen, dachte sie jetzt an ihn und fragte sich, was er wohl davon hielt. Was sollte sie jetzt tun? Sollte sie jetzt mit der Frage herausplatzen: Wo haben Sie ihre Leiche versteckt? Wie haben Sie sie umgebracht?
    »Ich habe Ihre Frau kennengelernt«, sagte Kate. »Ich habe Ihr Haus gesehen. Ich hätte Sie nicht herbitten dürfen, ohne Ihnen das zu sagen; nun wissen Sie es also.«
    »Sie wollten also über Alberta sprechen? Ich glaube, ich habe das die ganze Zeit gewußt. Ich glaube, es war die Gelegenheit, über sie zu sprechen, die mich zusagen ließ. Ich habe sie geliebt, müssen Sie wissen; ich liebe sie immer noch.«
    »Denken Sie jemals an sie in Ihrem Keller?« Es schien Kate, als habe sie das gar nicht selbst gesagt, sondern als seien die Worte einfach aus ihr herausgekommen. Großer Gott, dachte sie – wobei sie ein Wesen beschwor, an das sie nicht glaubte, aber das taten viele Menschen –, was habe ich getan?
    »In meinem Keller?« wiederholte Martin in einem Ton, als habe Kate gesagt ›auf dem Mond‹. »Was meinen Sie mit ›in meinem Keller‹?«
    In diesem Punkt hatten sie sich also geirrt. Nein, er log. Er hatte die ganze Zeit über vorgehabt zu lügen. Ich tauge wirklich nicht zu diesem Job, dachte Kate.
    »Also gut«, sagte sie und war plötzlich ärgerlich; »lassen Sie es mich in eine Frage kleiden: Was haben Sie mit ihrer Leiche gemacht?«
    »Mit welcher Leiche?«
    »Mit Albertas Leiche!« Kate schrie beinahe. »Ist es nicht sie, über die wir reden? Ist es nicht sie, die verschwunden ist?«
    »Um Gottes Willen«, sagte Martin. »Sie glauben, ich hätte sie umgebracht. Sie glauben, ich hätte Alberta umgebracht. Nun ja, warum nicht? Warum sollten Sie nicht glauben, daß ich sie umgebracht habe? Ich weiß zwar nicht, wieviel Sie von der ganzen Sache wissen, aber Sie liegen gar nicht so falsch. Ich wollte sie töten, zumindest habe ich entdeckt, daß ich sie töten wollte. Ich bin von ihr besessen, aber ich versuche, darüber hinwegzukommen. Das gelingt mir zwar nicht besonders gut, aber ich habe sie nicht getötet. Dem Himmel sei Dank, daß ich sie nicht getötet habe.«
    »Erzählen Sie mir davon.« Das war alles, was Kate sagen konnte.
    »Wo soll ich anfangen? Wie ich sie kennengelernt habe? Wissen Sie, wie wir uns kennengelernt haben? Es war tatsächlich durch Charlotte Stanton. Aber vielleicht wußten Sie das schon.«
    »Ich wußte es nicht, aber ich habe es vermutet«, sagte Kate.
    »Fangen Sie an, als Sie sie am Kennedy-Flughafen trafen und Stan Wyman Sie gesehen hat.«
    »Du lieber Himmel, ja, Stan Wyman. Der war schon immer hinter Biddy her.«
    »Warum war Alberta dort? Warum kam sie so plötzlich aus England zurück? Fangen Sie da an«, sagte Kate.
    Martin stand auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen.
    Sein Körper war gespannt wie der eines Tennisspielers vor dem Aufschlag, und zum ersten Male wurde Kate sich der latenten Gefahr bewußt, die von einem Mann an der Grenze zur Gewalttätigkeit ausgehen konnte, von einem Mann, der bei der leisesten Berührung diese Grenze überschreiten konnte. »Sie können sich nicht vorstellen, in welch einer Verfassung ich war«, sagte er, und Kate dachte: Sie zeigen es mir schon recht anschaulich. Kate kannte wenige Männer, die auf diese Weise körperlich in Rage gerieten, die die Fäuste schüttelten und wild gestikulierend herumliefen. Plötzlich hielt er inne und starrte aus dem Fenster,
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