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Albertas Schatten

Albertas Schatten

Titel: Albertas Schatten
Autoren: Amanda Cross
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genau so ist es gewesen. ›Ich bin es gewöhnt, mit leichtem Gepäck zu reisen und mich schnell zu entschließen, Martin; mach dir meinetwegen keine Sorgen.
    Ich wollte immer gerne wissen, wie es am anderen Ende der Welt aussieht. Vielleicht bleibe ich nicht in Indien. Vielleicht gehe ich nach Ich-weiß-nicht-wo. Jedenfalls werde ich nicht nach Amerika oder Europa zurückkehren, zumindest nicht in der nächsten Zeit. In Ordnung, Martin? Wirst du versuchen, über diese Besessenheit hinwegzukommen? Versuch’ alles, was es gibt: Religion, Psychoanaly-se, alles, was Hilfe verspricht. Wirst du das deinerseits für mich tun?‹«
    Martin war jetzt ruhiger. Er hörte auf, im Zimmer auf und ab zu gehen, wandte sich vom Fenster ab und setzte sich Kate gegenüber.
    Er schenkte sich selbst Bier nach. »Sie ist wirklich abgeflogen«, sagte er. »Wir haben noch im Flughafenrestaurant gegessen; bei dieser Gelegenheit hat uns Stan Wyman gesehen. Sie gab ihm die Hand, als er ihr seine entgegenstreckte und sie sagte: ›Ich bin Alberta Ashby‹. Er muß gesehen haben, daß ich verrückt nach ihr war. Selbst dieser Dummkopf muß das gesehen haben. Zum Glück blieb er nicht bei uns hängen. Alberta schrieb einen Brief an die Leute, die ihr immer ihr kleines Einkommen überwiesen, und teilte ihnen mit, daß sie ihre Schecks an das Büro des American Express in Neu Delhi schicken sollten. Ich schickte ihn später ab. Was ihr am meisten Kummer bereitete, waren die Farmersleute. Sie hatte ihnen ihr Wort gegeben, daß sie zurückkommen würde. Ich machte ihr klar, daß sie nach Meinung aller verschwunden wäre und die Leute so nicht glauben würden, nur sie wären im Stich gelassen worden. Ich glaube, das hat sie etwas beruhigt. Als sie im Flugzeug war, wußte ich, daß ich vor einem entsetzlichen Schicksal bewahrt worden war – wir alle.
    Verrückt? Natürlich ist das verrückt. Aber so ist das mit vielen Dingen, von denen wir nichts wissen, wenn wir nur in unserer wohlge-ordneten kleinen Welt leben. Als wir uns gerade kennengelernt hatten und ich sie heiraten wollte, habe ich immer gesagt, ich sei von Biddy besessen. Aber damals wußte ich nicht, was Besessenheit ist.
    Niemand weiß das, der es nicht selbst erlebt hat.« Er versank in Schweigen. Kate hatte den Eindruck, als habe seine Stimme für Stunden den Raum erfüllt, eine Ewigkeit lang. Sie saßen einfach da und fühlten die Stille.
    Dann sprach Martin, aber anders jetzt: »Ich weiß nicht, wo sie ist«, sagte er, »aber ich weiß, daß sie lebt. Ich weiß es, weil ich es spüre; wäre sie nicht mehr am Leben, würde ich auch das spüren.
    Das scheint keinen Sinn zu machen; glauben Sie es oder nicht. Sie lebt, aber ich weiß nicht, wo sie ist. Ich werde es niemals wissen.«
    »Möchten Sie noch ein Bier?« fragte Kate nach einer Weile.
    »Möchten Sie etwas anderes?« Was war da noch zu sagen? Sie konnte nur noch die Gastgeberin spielen und die einzige Art von Nahrung anbieten, die ihr zur Verfügung stand.
    »Ich werde jetzt gehen«, sagte Martin. »Es hat mir gutgetan, mit Ihnen zu sprechen. Ich bin froh, daß Sie wissen, was geschehen ist.
    Ich muß Ihnen vertrauen, daß Sie nicht darüber sprechen. Werden Sie es jemandem erzählen?«
    »Ich muß es tun«, sagte Kate. »Das heißt, ich muß einer Reihe von Leuten sagen, daß Alberta nach Indien gegangen ist, daß wir nicht wissen, wo sie sich aufhält; und daß sie nicht vorhat, zurückzukommen, sonst werde ich mit niemandem außer meinem Mann dar-
    über sprechen, es sei denn, ich wäre dazu gezwungen. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, daß das der Fall sein könnte, aber man weiß ja nie.«
    »Ich verlasse mich darauf«, sagte Martin. »Ich werde versuchen, mich auf die eine oder andere Weise abzulenken. Ich denke, daß ich in Ordnung kommen werde; in Ordnung für meine Kinder und meine Studenten, meine ich. In anderer Hinsicht werde ich nie wieder wirklich der alte sein.«
    Als er in der Diele stand, sagte er: »Wir haben unser Gespräch mit Graves und der Stanton begonnen. Ich möchte Ihnen einen Unterschied zwischen den beiden nennen. Ich glaube, Graves hätte diese Besessenheit verstanden, die Stanton nicht.«
    »Ich glaube, Sie irren sich«, sagte Kate. »Auf Wiedersehen.« Sie streckte ihm die Hand hin. Martin ergriff sie. Welches Recht hatte er, das zu tun, was er getan hatte, dachte Kate. Warum habe ich seine Hand geschüttelt? Weil er seinen Kampf gewonnen hat, dachte sie.
    Und Alberta war tief in ihrem Herzen
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