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Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Titel: Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Autoren: Bronnenmeyer
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von Informationen und der Arbeit anderer abhängig war, lagen jedes Mal wie Blei auf einer laufenden Ermittlung. An diesem Nachmittag begingen sie nun Totschlag. Das Opfer hieß Zeit. Die Tatwaffen waren eine alte, dunkelgrüne Schreibmaschine und eine alte Zeitung. Alfred hatte beschlossen, den Dienstreiseantrag für die Fortbildung nächsten Monat auf althergebrachte Weise auszufüllen, nachdem das Computer-Netzwerk am dritten Tag hintereinander zusammengebrochen war, ebenso wie die Nerven des Systemadministrators, der sich mittlerweile im Krankenstand befand. Renan tat, was sie schon seit zwei Jahren vorhatte: Fenster putzen. Sie sprühte gerade eine saftige Ladung Glasreiniger auf die Scheibe am Kopfende der Schreibtische und verrieb die Flüssigkeit mit einer Doppelseite der Süddeutschen – » Euere schlecht befestigten Wege machen es dem Thronwagen schwer « –, als ihr endgültig der Kragen platzte.
    »Das ist unerträglich, Alfred!«, wetterte sie.
    »Hm«, nickte er – Tschack – ohne seine Konzentration von der Tastatur abzuwenden.
    »Könntest du vielleicht den Sender wechseln?«
    »Aber das ist deutscher Soul, Kollegin« – Tschack, tschack –, »weißt du, wie lange die Nation auf so etwas gewartet hat?«
    »Das Gewinsel geht mir aber ordentlich auf den Keks«, und dein Getue auch, ergänzte sie gedanklich.
    »Du hast ja Recht … Hey!«, protestierte er, als ihn Renans feuchtes Zeitungsknäuel am Kopf traf. Im Gegensatz zu ihr konnte er derartigen Leerlaufphasen sehr viel abgewinnen. Früher hatte er damit auch Probleme gehabt. Es war dieses Gefühl, nicht alles Menschenmögliche zu tun, wenn man nicht zwölf Stunden am Tag rastlos von A nach B und von Verdächtigen zu Zeugen zu Experten hetzte. Mittlerweile war er fünfzig und konnte damit umgehen – einer der Vorzüge des fortschreitenden Alters.
    »Glaubst du, das wird noch was?«, fragte sie, eine neue Doppelseite zerknüllend.
    »Ich drehe den Sender gleich weiter«, beeilte er sich zu versichern, »muss nur noch den Reisezweck angeben.«
    »Nein, ich meine die Aushänge, Bilder in der Zeitung, Anfragen bei Interpol und BKA. Immerhin ist heute Freitag!«
    »Fertig«, freute sich Alfred und zog den Antrag aus der Schreibmaschine. Es war doch gut, dass er die alten Maschinenformulare nicht weggeworfen hatte, als die gesamte Verwaltung auf EDV umgestellt worden war.
    »Du hast wahrscheinlich Recht«, antwortete er, während er das Formular liebevoll unterschrieb, »das ist weiß Gott kein spektakulärer Fall. Unser Direktor interessiert sich gerade überwiegend für den Wahlkampf seiner Parteifreunde und Hinweise auf einen Serientäter haben wir auch nicht – sieht so aus, als ob wir uns diesmal ein komplettes Wochenende gönnen dürften.«
    »Falls nicht, müsste ich das jetzt auch wirklich langsam wissen«, Renan kniete mittlerweile auf ihrem Schreibtisch und bearbeitete die untere Hälfte des Fensters. Nachdem sie Hausmeister und Putzdienst etwa zwanzig Mal auf die verdreckten Scheiben hingewiesen hatte, war ihr der Geduldsfaden gerissen.
    »Du hast wohl was Wichtiges vor am Wochenende?«, Alfred drehte ein paar Zigaretten auf Vorrat.
    »Von wegen«, blaffte sie, »ich muss meinen Eltern im Betrieb helfen. Die haben einen wichtigen Auftrag, mit dem sie nicht rechtzeitig fertig werden. Ich werde mein Wochenende wahrscheinlich mit Schleifpapier, Lack und Pinsel verbringen.«
    »Oje«, sagte Alfred, »aber du kannst ja behaupten, dass du hier unabkömmlich bist. Ich gebe dir ein wasserdichtes Alibi.«
    »Und was mache ich mit meinem schlechten Gewissen?«, seufzte sie. »Ich gehe schon lieber hin, dann kann ich mich wenigstens ärgern … und meine Schwester ist natürlich gerade auf Abschlussfahrt in London!«
    »Dann lass uns noch mal rekapitulieren«, er stützte sich mit den Ellenbogen auf seinen Schreibtisch, »wir haben einen Toten, Mitte vierzig, ohne Papiere. Keine sonstigen Identifikationsmerkmale. Wahrscheinlich Russe, auf jeden Fall aber von slawischer Herkunft. Er wurde ohne sichtbare Gegenwehr erschossen und hatte drei Komma vier Promille im Blut. Bei uns noch nicht aktenkundig … so einen Fall hatten Herbst und ich vor vielen Jahren schon einmal.«
    »Echt?«, Renan stieg vom Schreibtisch ab und schloss das nunmehr saubere Fenster. »Und was ist damals dabei herausgekommen?«
    »Nichts. Null Komma nichts. Der Fall wurde ziemlich schnell aufgegeben. Waren eben andere Zeiten. Kein genetischer Fingerabdruck, eine dicke Mauer und
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