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Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Albach und Mueller 01 - Russische Seelen

Titel: Albach und Mueller 01 - Russische Seelen
Autoren: Bronnenmeyer
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blickte Renan etwas besorgt an.
    »Ach was«, sie machte eine wegwerfende Handbewegung und hockte sich neben ihn auf den Sandstein, »ich finde es nur unmöglich, wie Göttler über Hintergründe und Motive hinweggeht. Vielleicht hat Hartmann diesen Mann ja wirklich in den Ruin getrieben und jemanden im Patentamt geschmiert, damit ein paar Akten verschwinden. Und dann heißt es, der ist nicht ganz richtig im Kopf. Was soll denn diese Scheiße?«
    »Renan, ich kann das gut verstehen«, er zog die Augenbrauen zusammen, »aber …«
    »Und dann Kashevski«, eiferte sie weiter, »er hat gestanden, Anklage wurde erhoben, fertig. Mein Gott, da steht doch eine Geschichte dahinter!«
    »Du hast Mitleid mit Kashevski, oder?«
    »Nein, das nicht«, sie winkte ab, »aber seine Frau tut mir Leid. Die hat sich ihr Leben hier bestimmt anders vorgestellt.«
    »Hast du den Ostblock jemals selbst gesehen?«, Alfred griff zum Tabak.
    »Ich hatte Glück«, sie lächelte etwas versonnen, »wir waren mit der 10. Klasse in Berlin. Sommer ’89. Vier Monate vor dem Fall der Mauer. Und ein Tag Ostberlin war damals noch Pflichtprogramm.«
    »Und wie war es für dich?«
    »Es war merkwürdig«, Renans Miene wurde heller, »du musstest in einer überfüllten unterirdischen Halle zwei Stunden anstehen, 25 Mark umtauschen und warst plötzlich in einer anderen Welt. Irgendwie war fast alles grau und die wenigen Farben, die es gab, waren blass oder abgeblättert. In den Cafés durften immer nur vier Leute an einem Tisch sitzen, überall musste man warten und Schlange stehen … ich habe mich einerseits extrem unwohl gefühlt, andererseits bin ich kaum noch aus dem Staunen herausgekommen.«
    »Ich nehme an, wir können uns nicht wirklich in Menschen hineinversetzen, die dreißig Jahre und länger in einer vollkommen anderen Welt gelebt haben«, grübelte er eine Zigarette drehend.
    »Da hast du sicher Recht«, nickte Renan und vergrub ihre Hände in den Hosentaschen.
    »Ich kann mir gut vorstellen, dass Kashevski zehn oder fünfzehn Jahre viel leichter durchhält als ein Deutscher …«
    »Möglich.«
    »Und sie empfindet es vielleicht auch als nicht so schlimm. Immerhin weiß sie, wo er steckt und dass er sich nicht in Gefahr befindet.«
    »Ich glaube, ihr war am wichtigsten, die Wahrheit zu erfahren!«
    »Ja, und vielleicht kann sie dann damit leben, zehn Jahre zu warten. Da drüben haben sie ja wohl auch so lange auf ein Auto gewartet … Verstehst du, was ich meine?«
    »Ich fass es nicht«, sagte sie und gab ihm einen Stoß.
     
    Sie trafen Herbst im Café Kröll. Alfred hatte seinen ehemaligen Kollegen zum Dank für die Hilfe zum Mittagessen eingeladen. Sie rauchten und tranken Bier beziehungsweise den obligatorischen Pfefferminztee.
    »Die Rechnung geht auf mich«, sagte Alfred, »tut euch also keinen Zwang an.«
    »Business-Lunch?«, Konrad legte die hohe Stirn in Falten und musterte die in Goldfarben renovierten Wände, »was soll das denn sein?«
    »Ziegenfrischkäse mit Honig, Linguine mit Lachs und Rucolapesto und dazu ein Softgetränk«, zitierte Renan.
    »Rucolapesto? Softgetränk?«, wiederholte Herbst langsam.
    »Hast du eigentlich mit der Schwarz gesprochen?«, wandte sich Renan an Alfred.
    »Nur kurz«, er drückte die Zigarette aus, »aber er bekommt den besten Pflichtverteidiger, den sie auftreiben kann.«
    »Wraps mit knackigem Salat und Putenbruststreifen gefüllt«, las Konrad. »So was hat es hier früher aber nicht gegeben, was ist das?«
    »Es gibt auch japanische Spezialitäten«, Alfred deutete in Konrads Speisekarte.
    »Gomaae«, Herbst begann, unruhig auf dem roten Samtbezug seines Stuhles herumzurutschen, »blanchierter Blattspinat mit Sesamsauce. Edamame, blanchierte Sojabohnen mit Meersalz.«
    »Aber er wollte doch hauptsächlich die Möglichkeit, an Karasows Bestattung in Weißrussland teilzunehmen«, sprach Renan weiter, »wie sieht’s denn damit aus?«
    »Das ist nichts, was Frau Schwarz entscheiden kann«, Alfred schüttelte leicht den Kopf, »aber immerhin kann er den Angehörigen jetzt schreiben.«
    »Leben die Eltern denn noch?«
    »Die Mutter Karasow lebt noch«, antwortete Alfred, »außerdem gibt es noch zwei Schwestern.«
    Eine Bedienung kam, um die Bestellungen aufzunehmen.
    »Haben Sie auch russische Salzgurken?«, fragte Konrad, als er an der Reihe war.
    »Ich glaube nicht«, lächelte das Mädchen, »wir haben nur frische Gurken für die Salate.«
    »Dann muss ich mir das noch einmal überlegen«,
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