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Alaska

Titel: Alaska
Autoren: James Albert Michener
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ausblieben. Damals wie heute zog sich die Nacht des Winters schier endlos in die Länge. Über sechs Monate stand die Sonne nur sehr niedrig am Himmel, wenn sie überhaupt schien, während sie in der zweiten Hälfte des Jahres, wenn die glühende Hitze des Sommers tobte, kaum untergehen wollte. Die Temperaturschwankungen in der Atmosphäre, die eine geringere relative Luftfeuchtigkeit aufwies als heute, waren unglaublich: von 50 Grad Celsius im Sommer bis zur selben Anzahl von Graden unter Null im Winter. Die Pflanzen, die versuchten, hier Wurzeln zu schlagen - keine sah auch nur im entferntesten so aus wie die Pflanzen, die wir heute kennen -, mussten sich folglich diesen unwirtlichen Verhältnissen anpassen: Prähistorische Moose, niedrig wachsende, fast blattlose Sträucher mit tiefen Wurzelsträngen, die sich ihren Weg oft durch Felsspalten freikämpfen mussten , und Farne, die sich an die Kälte angepasst hatten, klammerten sich an die dünne Erdschicht.
    Keine Tiere, die man als solche hätte erkennen können, durchstreiften das Gebiet; die großen Dinosaurier erschienen erst viel später, und die vorläufige Entwicklung des Mastodons und des Mammuts, der beiden Urtiere, die diesen Erdteil einmal beherrschen sollten, würde erst in Jahrtausenden einsetzen. Leben jedoch war entstanden, und im südlichen Teil dieser kleinen Erhebung begaben sich die ersten Lebewesen aus dem Wasser zögernd an Land und machten sich mit einer neuen Umgebung vertraut.
    Während dieser Zeit hing das kleine Alaska in der Schwebe, unsicher, wohin das Mutterland als nächstes wandern würde, wie sich das Klima verändern würde und welches Schicksal es zu erwarten hätte. Alaska war ein Potential, nicht mehr, ein Land, aus dem alles Mögliche werden konnte, das sich beliebig an einen der drei so unterschiedlichen Kontinente - Asien, Europa, Amerika - binden konnte und das sich selbst die besten Zukunftsaussichten schaffen könnte, wenn das angestammte Kernland erst einmal erweitert war.
    Riesige Berge würden sich einmal erheben, die höchsten in Nordamerika, gigantische Gletscher wachsen, keine in der Welt so groß wie diese. Vor der Ankunft des Menschen würde es über Generationen hinweg ein Paradies für Tiere sein, manche von majestätischer Größe und Schönheit. We nn es am Ende schließlich umherziehende Volksstämme, die aus Asien kommen sollten, gastfreundlich aufnehmen würde, dann würde es sich einigen der aufregendsten und interessantesten Völkern der Erde als Heimat anbieten; den Athapasken, den Tlingi ts, den Eskimos und den Aleute.
     
    Vordringlichste Aufgabe zunächst aber ist der Versuch, zu verstehen, wie dieses angestammte Kernland so viele zusätzliche Landteile aus felsigem Gestein an sich binden konnte, die sich später zu der Landmasse verbanden, die wir heute als Alaska bezeichnen. Wie eine Spinne in ihrem Netz, die darauf wartet, dass eine Fliege vorbeifliegt, um sie sich dann zu fangen, verharrte auch das Kernland passiv an einer Stelle, zog aber alle vorbeitreibenden Landformationen an sich, jene sich verdichtenden Agglomerate aus Stein, die eine beträchtliche Größe erreichen konnten und abenteuerliche Wanderbewegungen vollzogen.
    Die Kontinente der Erde und auch die Ozeane ruhen auf etwa sechs bis acht voneinander unterscheidbaren unterirdischen Hauptplatten - eine davon ist Asien, eine andere Australien - und einer Anzahl kleinerer Platten, jede deutlich getrennt von der anderen. Von der Verschiebung dieser Platten, die sich nur langsam vollzieht und kaum nachme ss bar ist, hängt es ab, wo und wie sich die Kontinente und die Ozeane jeweils anordnen.
    Mit welcher Geschwindigkeit bewegt sich eine solche Platte fort? Die Entfernung zwischen Kalifornien und Tokio beträgt heute 8 . 240 Kilometer. Würde sich die Nordamerikanische Platte mit der verschwindend geringen Geschwindigkeit von 125 Millimeter im Jahr unaufhaltsam auf Japan zubewegen, stieße San Francisco schon in 650 Millionen Jahren mit Tokio zusammen.
    Der Wanderung einer Landformation von Asien, dem Pazifischen Ozean oder Nordamerika bis an die sich ausdehnende Küste Alaskas waren demnach keine Hindernisse in den Weg gestellt. Bei genügend Zeit und ausreichend Raum für die Platte, sich zu bewegen, war alles möglich.
     
    In der unendlichen Wasserwüste des Pazifischen Ozeans tauchte eine seit langer Zeit versunkene, über mehrere Inseln verstreute Landmasse von beträchtlicher Größe wieder auf, die heute den Namen Wrangellia trägt,
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