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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin
Autoren: Tamora Pierce
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Zug. Er keuchte, als ihm die heiße Flüssigkeit in der Kehle brannte. Aber anschließend ging es ihm tatsächlich besser. Er schwang seine Füße auf den Boden und rieb sich vorsichtig den schmerzenden Schädel. »Ich brauch ein Bad.«
    Alanna deutete auf die Wanne, die schon in der Ecke bereitstand.
    Coram warf ihr einen durchdringenden Blick zu. »Geh das Frühstück bestellen! Ich nehme an, ich sollte dich jetzt ›Alan‹ nennen?«
    Sie stieß einen Freudenschrei aus und hüpfte aus dem Zimmer.
     
    Vier Tage später ritten sie kurz nach Morgengrauen in die Stadt Corus hinein, zusammen mit unzähligen Leuten, die ebenfalls in die Hauptstadt zogen, um dort den Markt zu besuchen. Coram führte sein Pferd durch die Menge, während sich Alanna mühte mit Chubby dicht hinter ihm zu bleiben und trotzdem alles zu sehen. So vielen Menschen war sie in ihrem ganzen Leben noch nicht begegnet! Sie sah
Händler, Sklaven, Priester und Edelleute. Die Bazhir – das waren die Angehörigen eines Wüstenstammes – erkannte sie an dem schweren weißen Burnus, den sie trugen, und die Seeleute an ihrem geflochtenen Zopf. Glücklicherweise schien Chubby in der Nähe von Corams Wallach bleiben zu wollen, sonst hätte sich Alanna augenblicklich verirrt.
    Der Anblick des eigentlichen Marktplatzes war fast zu viel für ein Mädchen aus einem Schloss in den Bergen. Alanna musste mit den Augen blinzeln wegen all der grellen Farben. Stapel mit orangefarbenen und gelben Früchten, leuchtend blaue und grüne Wandbehänge, Goldstränge und Silberketten gab es da. Manche Leute starrten ebenso unverhohlen wie sie selbst. Andere hielten den Vorübergehenden ihre Waren unter die Nase und forderten lauthals zum Kauf auf. Frauen in engen Kleidern beäugten aus Türeingängen die Männer, und Kinder rannten den Erwachsenen zwischen den Beinen hindurch und steckten verstohlen die Hände in Taschen und Börsen.
    Coram entging nichts. »Behalte deine Satteltaschen im Auge!«, rief er Alanna zu. »Hier gibt es welche, die würden ihrer eigenen Mutter die Zähne klauen!« Diese Bemerkung schien auf einen hoch gewachsenen jungen Mann gemünzt zu sein, der in Alannas Nähe stand.
    Der schlanke junge Mann grinste, wobei in seinem gebräunten Gesicht die weißen Zähne blitzten. »Du meinst doch wohl nicht mich, oder?«, fragte er unschuldig.
    Coram schnaubte und trieb sein Pferd mit einem Fußtritt an. Der Mann zwinkerte Alanna mit funkelnden, haselnussbraunen Augen zu und verschwand in der Menge. Sie sah ihm nach, bis ihr jemand zurief, sie solle Acht geben. Sie fragte sich, ob er wohl wirklich ein Dieb war. Sie jedenfalls
fand ihn ausgesprochen nett. Sie ließen den Marktplatz hinter sich und ritten die einen lang gezogenen Hügel hinaufführende Marktstraße entlang, die durch Bezirke führte, in denen die reichen Händler wohnten, und an den Villen der noch reicheren Edelleute vorbei. Dort, wo die Marktstraße die Harmoniestraße kreuzte, begann der Tempelbezirk. Hier wechselte die Marktstraße ihren Namen und wurde zur Palaststraße. Coram setzte sich aufrechter in den Sattel. Nach all den Jahren, die er hier einstmals als Soldat gedient hatte, war dies wie ein Nachhausekommen.
    Alanna entdeckte zahllose Tempel, während sie diesen Bezirk durchquerten. Sie hatte gehört, in Corus bete man hundert verschiedene Götter an, und tatsächlich gab es da genügend Tempel für alle. Sie sah sogar eine Gruppe von Frauen, die in Rüstungen gekleidet waren – die Wächterinnen des Tempels der Großen Muttergöttin. Sie waren mit mächtigen, zweischneidigen Äxten bewaffnet und sie wussten mit ihnen umzugehen. Ihre Pflicht war es, dafür zu sorgen, dass kein Mann jemals seinen Fuß auf den der Großen Mutter geweihten Boden setzte.
    Alanna grinste. Eines Tages würde auch sie eine Rüstung tragen. Aber sie würde sich außerhalb der Grenzen eines Tempelgeländes bewegen!
    Ganz plötzlich stieg die Straße steil an. Hier endete der Tempelbezirk. Über ihnen, auf der Spitze des Hügels, lag der Palast. Alanna keuchte, als sie ihn erblickte. Vor ihnen lag das mit Tausenden von Figuren beschnitzte und mit Gold besetzte Stadttor. Durch dieses Tor in der Palastmauer kamen an den heiligen Tagen Könige und Königinnen in die Stadt herunter. Durch dieses Tor gingen die Leute an den Audienztagen zu ihren Herrschern. Es war so hoch wie die Mauer, in
die es eingelassen war: eine Mauer, an der aufgereiht die in königliches Gold und Rot gekleideten Soldaten standen.
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