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Alanna - Das Lied der Loewin

Alanna - Das Lied der Loewin

Titel: Alanna - Das Lied der Loewin
Autoren: Tamora Pierce
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ihn in der Küche verfolgten. Somit hatte Lord Alan nie von den fehlenden Torten erfahren. Und als die Patin der Zwillinge nach Trebond gekommen war, um sich Lord Alan als ihren nächsten Gatten einzufangen, hatte sie mit der Behauptung, das Schloss sei verhext, schon nach drei Tagen die Flucht ergriffen.
    »Das würdest du doch nicht tun?«, flüsterte Coram. Er hatte schon immer den Verdacht gehegt, hinter den Wahnvorstellungen des Kochs und den Geistern Lady Catherines
müssten die Zwillinge stecken. Aber diese Vermutung hatte er für sich behalten. Der Koch tat nämlich so, als sei er etwas Besseres, und Lady Catherine war grausam zu ihrem Personal.
    Als Alanna sah, dass sie Coram an einer empfindlichen Stelle getroffen hatte, änderte sie ihre Taktik. »Thom ist eine totale Niete, was das Bogenschießen betrifft. Ich nicht. Thom würde dir keine Ehre machen. Ich schon, glaube ich. Du hast selbst gesagt, kein Erwachsener könne schneller ein Kaninchen häuten als ich.« Sie fütterte Chubby mit ihrem letzten Stück Brot und sah Coram mit riesigen, flehenden Augen an. »Lass uns weiterreiten. Wenn du morgen früh noch genauso denkst, können wir ja umkehren.« Sie überkreuzte die Finger, während sie log. Sie hatte nicht vor, nach Trebond zurückzureiten. »Und überstürz nichts. Vater wird es erst erfahren, wenn es zu spät ist.«
    Coram nahm noch einen Zug aus dem Schlauch und rappelte sich wacklig auf. Er bestieg sein Pferd und beobachtete dabei das Mädchen. Schweigend ritten sie weiter. Coram dachte nach und trank. Alannas Drohung, sie wolle ihn Dinge sehen lassen, die es gar nicht gab, beunruhigte ihn nicht sonderlich. Stattdessen dachte er an Thoms Leistungen im Bogenschießen, die jedem Soldaten die Tränen in die Augen treiben mussten. Alanna war viel geschickter als ihr Bruder. Sie ermüdete nur selten, nicht einmal bei Fußmärschen durch schwieriges Gelände. Sie hatte ein Gespür, was die Kampfsportarten betraf, und das war etwas, was man niemals erlernen konnte. Im Übrigen war sie so stur wie ein Maulesel.
    Da Coram so in Gedanken versunken war, sah er nicht, wie eine Waldschlange über die Straße glitt. Alanna und
Corams Pferd entdeckten die sich dahinschlängelnde Kreatur im gleichen Augenblick. Der große Wallach bäumte sich auf und um ein Haar hätte er seinen Herrn abgeworfen. Chubby, den diese Possen überraschten, blieb stocksteif mitten auf der Straße stehen. Coram stieß einen Schrei aus und mühte sich, im Sattel zu bleiben, während das zu Tode erschrockene Tier wie wild bockte. Alanna zögerte keine Sekunde lang. Sie sprang aus dem Sattel und packte mit beiden Händen die Zügel von Corams Pferd. Sie mühte sich verzweifelt, den fliegenden Hufen des Wallachs auszuweichen, und setzte ihre ganze Kraft und ihr ganzes Gewicht ein, um das Pferd herunterzuziehen, bevor Coram herabstürzen und sich das Genick brechen würde.
    Der Wallach, den das neue Gewicht, das da an seinen Zügeln hing, völlig überraschte, ließ sich auf alle viere fallen. Er zitterte, während Alanna seine Nüstern streichelte und ihm tröstende Worte zuflüsterte. Sie wühlte in einer Tasche und zog einen Apfel hervor, den sie dem Pferd zu fressen gab, während sie es weiter liebkoste, bis das Zittern aufgehört hatte.
    Als Alanna aufschaute, entdeckte sie, wie Coram sie seltsam ansah. Sie hatte keine Ahnung, dass er sich gerade ausmalte, was Thom in einer derartigen Situation wohl getan hätte: Er hätte es sicher Coram überlassen, sich selbst aus der Patsche zu helfen. Coram wusste, wie viel Mut es erforderte, ein großes, bockendes Pferd zu beruhigen. Es war die Art von Mut, die ein Ritter massenhaft brauchte. Aber trotzdem  – Alanna war ein Mädchen ...
    Bis sie am Gasthof eintrafen, war Coram völlig betrunken. Der Gastwirt half ihm ins Bett, während seine Frau ›den armen kleinen Jungen‹ umhegte. Im Bett hörte Alanna mit
einem breiten Grinsen auf den Lippen zu, wie Coram schnarchte. Maude hatte es bewerkstelligt, den Weinschlauch mit Lord Alans bestem Branntwein zu füllen in der Hoffnung, ihr alter Freund Coram möge sich leichter zur Vernunft bringen lassen, wenn seine Gelenke gut geölt waren.
    Am nächsten Morgen erwachte Coram mit dem schlimmsten Kater, den er jemals gehabt hatte. Er stöhnte, als Alanna in sein Zimmer trat.
    »Geh nicht so laut«, flehte er.
    Alanna übergab ihm einen dampfenden Becher. »Trink. Maude sagte, das hätte dir bisher jedes Mal geholfen.«
    Coram nahm einen tiefen
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