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Al Wheeler und die Callgirls

Al Wheeler und die Callgirls

Titel: Al Wheeler und die Callgirls
Autoren: Carter Brown
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säßen ganz hinten und ich ganz vom, mit einem Minimum von dreißig
Mitfahrern zwischen uns.«
    »Das muß Ihre südstaatliche
Herkunft sein, Magnolienblüte«, sagte ich mit bewundernder Stimme. »Ich meine
die Willensstärke, mit der Sie Ihre hoffnungslose Leidenschaft für mich
unterdrücken. Ich... Autsch!«
    Ich hüpfte eine Weile auf einem
Bein umher und massierte verzweifelt mein Schienbein, mit dem ihre solide
Schuhspitze soeben aufs brutalste Kontakt aufgenommen hatte. Sie lehnte sich an
den Schreibtisch zurück, stützte die Zwillingshügel mit ihren
übereinandergeschlagenen Armen ab und beobachtete mich mit befriedigtem
Lächeln. »Achilles hatte seine Ferse«, sagte sie beglückt. »Und diese Ferse
hier hat ihr Schienbein.«
    »Wenn Sie schon mit Ihren
mythologischen Kenntnissen protzen müssen«, winselte ich, während ich dem
Telefon zuhüpfte, »vergessen Sie auch Leda mit dem Schwan nicht.«
    Ich sank dankbar auf einen
Stuhl, suchte die Baufirma Donovan im Telefonbuch heraus und wählte die Nummer.
Eine höfliche weibliche Stimme teilte mir mit, daß Mr. Donovan den ganzen Tag
abwesend sei; wenn es sich aber um etwas Dringendes handle, sei er auf dem
Bauplatz des Venetia-Kanalprojekts zu finden. Sie gab mir genaue Anweisung, wie
ich dorthin käme, und ich dankte ihr und legte auf.
    »Leda und der Schwan?«
wiederholte Annabelle verwirrt.
    »Sie sind so smart«, sagte ich
spöttisch, während ich aufstand und der Tür zuhinkte. »Sie meinen, Ihnen kann
man nichts vormachen, was? Sie glauben, Sie brauchen nur von Hi-Fis und
überdimensionalen Couches wegzubleiben, ja? Na, wenn Sie das nächstemal einen
tieffliegenden Schwan sehen, dann gehen Sie in Deckung, Kleines!«
    »Leda —mit dem Schwan?«
krächzte sie.
    »Es war einer der
temperamentvolleren Götter, der sich als Schwan verkleidete«, erklärte ich. »Da
sehen Sie, was mit Mädchen passiert, die sich allzu rar machen.«
    Ich schloß die Tür hinter mir
und hinkte über den Gehsteig zum Wagen. Er war mein derzeitiger Stolz und meine
Freude. Ein betrunkener Autofahrer hatte meinen letzten Wagen zu Schrott
gefahren, aber die Versicherungsgesellschaft hatte sich wie ein Gentleman
benommen, und so war ich nun Besitzer eines brandneuen Austin Healey 3000, weiß
mit roten Polstern — und nach Bezahlung von noch siebzehn Raten würde er sogar
mein Eigentum sein. Ich stieg ein, ließ den Motor an und versetzte mich in
Tagträume, die mich, in die Situation eines Siegers des amerikanischen Grand
Prix versetzten. Es gibt Zeiten, in denen ich mich frage, weshalb ich
eigentlich Polizeibeamter bin, abgesehen davon, daß ich weiß, wie bitter ich
die Autorität vermissen würde, die mit diesem Beruf Hand in Hand geht. Und was
hat schon ein internationaler Rennfahrer, das ich nicht habe — abgesehen von
Mut, Geld und Mädchen?
    Ich hatte mir die Instruktionen
des Mädchens im Büro eingeprägt, und sie waren leicht zu befolgen. Etwa eine
halbe Stunde später erreichte ich den höchsten Punkt einer ungeteerten Straße,
von dem aus man über den Ozean blicken konnte, und stieg aus. Ein riesiges
Reklameschild stand da, mit grellen Farben bekleckst, eine glückliche
Familienszene darstellend. Vater war der saubergewaschene Typ des leitenden
Angestellten, mit athletischer Figur und zu vielen weißen Zähnen. Mutter war
eine gebräunte Schönheitskönigin mit Shorts, die schick, aber dezent waren, und
einem dazu passenden Oberteil. Die drei Kinder, die sich an ihre Fersen
hefteten, sprühten vor einer Gesundheit, über die man nur verfügt, wenn man auf
einer Reklametafel lebt. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Mutter wie
eine unbekümmerte Zwanzigjährige aussah, obwohl das älteste Kind entweder auf
Vierzehn zuging oder in der Entwicklung voraus war. Die gesamte Familie stürmte
über einen grünen Rasen — weg von dem schimmernden weißen Haus im Hintergrund —
auf ein Boot zu, das auf dem unglaublich blauen Wasser am Ende ihres Gartens
wartete. Unter dem Bild wurde in dreißig Zentimeter hohen Buchstaben erklärt: Wir
wußten nie, was Familienleben wirklich bedeutet, bevor wir nach Venetian Waters
gezogen sind. Dann kam noch mehr Blah-Blah und die Anmerkung: Preise von 22 500 Dollar an, mit geringer Anzahlung.
    Die Reklametafel war ihrer Zeit
ein wenig voraus. Von meinem Standpunkt aus bestand die Aussicht aus einer
Staubschicht, die über den gigantischen Furchen hing, welche durch die massiven
Bagger in das braune Land gegraben worden waren.
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