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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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wo Bulldoggen gehalten wurden, wissen, dass sie Albinowelpen nicht wie üblich ersäufen, sondern an Generalmajor Tatistschew senden sollten, der die ausgemusterten Tiere für gutes Geld kaufen wolle. Weiße Welpen, noch dazu mit braunem rechtem Ohr, werden bei Bulldoggen sehr selten geboren. Ich weiß es nicht mehr, obwohl ich es viele Male vom Onkel und von der Tante hörte. Vielleicht einmal bei jedem hundertsten Wurf. Mein Onkel sammelte also diese Missgeburten, zog sie auf und kreuzte sie untereinander. Dabei kamen ganz gewöhnliche rötliche Welpen heraus, aber vereinzelt auch weiße mit braunem Ohr. Die suchte er wieder heraus und kreuzte sie, achtete auch darauf, dass sie Hängelefzen und starken Speichelfluss hatten. Die besondere Schwierigkeit war natürlich das verflixte Ohr. Er musste sehr viele aussondern. Und so ging es von Generation zu Generation. Als der Onkel verstarb, war er seinem Traum schon näher gekommen, befand sich aber noch immer auf halbem Wege. Auf dem Sterbebett trug er seiner Frau als Vermächtnis auf, das Begonnene zu Ende zu führen. Und Marja Afanassjewna war eine wahrhaft goldwerte Ehefrau. Aus der einstigen mondänen Verführerin war eine Kommandeursgattin und Mutter und dann auch eine Gutsbesitzerin geworden. Und das alles war sie von Herzen gern, brauchte sich nicht zu verstellen. Dieses Frauentalent hatte Gott ihr geschenkt. Hätte ihr Mann ihr nicht vor seinem Tod diesen Auftrag gegeben, so wäre sie wohl nicht mit ihrem Kummer fertig geworden. So aber kam sie darüber hinweg, ihre Witwenschaft währt nun schon zwanzig Jahre, sie ist stark und tätig und von munterem Wesen. Alle ihre Gespräche, alle ihre Vorhaben drehen sich nur um das Hundethema. Ich habe ihr schon vorgeworfen, ihre Hundeliebe sei übertrieben, aber sie hört nicht auf mich. Einmal habe ich sie im Scherz geneckt:
    › Tantchen, und wenn nun Luzifer käme und um Ihre christliche Seele bäte, im Tausch gegen einen gänzlich weißen Welpen, würden Sie darauf eingehen? ‹ – › Gott bewahre, Mischa ‹ , hat sie gesagt, › was redest du da? ‹ Doch dann verstummte sie und dachte nach. Pelagia, ich sage dir, das ist kein Spaß mehr! Wie dem auch sei, sie hat das Werk ihres verstorbenen Mannes fortgeführt, hat sich der Züchtung der weißen russischen Bulldogge verschrieben und auch Erfolge erzielt. Besonders was die Hängelefzen, den Speichelfluss und die Plattmäuligkeit betrifft. Mit dem Ohr ist es schwieriger. An idealen Exemplaren hat sie es bis jetzt auf drei Rüden gebracht: den Großvater Saguljai, der ist schon alt, fast neun Jahre, ferner seinen Sohn Sakidai, vier Jahre, und schließlich Saguljais Enkel Sakussai, der zu ihrer Freude vor zwei oder drei Monaten geboren wurde. Der ist in jeder Beziehung makellos, darum hat die Tante alle übrigen, unvollkommenen Hunde ersäufen lassen, damit sie die Rasse nicht verderben, und zur Aufzucht nur die drei behalten. Oh, ich vergaß noch zwei wesentliche Merkmale: Sie müssen krummbeinig sein und schwarz gesprenkelte rosa Nasen haben. Sehr wichtig . . .«
    Hier fühlte sich der Bischof in einer ganz dummen Lage, er stockte und warf einen Seitenblick auf die Nonne. Die bewegte die Lippen, zählte die Maschen, ließ kein Befremden erkennen.
    »Hier hast du, kannst selber lesen. Der Brief ist gestern gekommen. Wenn du sagst, die alte Frau ist nicht mehr ganz richtig im Kopf, schreibe ich ihr was Beruhigendes, und die Sache hat sich.«
    Mitrofani holte den Brief aus dem Ärmel des Untergewands und gab ihn Pelagia.
    Die Schwester drückte mit der Fingerspitze den Brillensteg gegen die Nasenwurzel und begann zu lesen. Als sie fertig war, fragte sie beunruhigt:
    »Wer hat ein Interesse daran, die Hunde zu vergiften? Und warum?«
    Diese ernsthafte Frage ließ den Bischof erleichtert aufatmen, und seine Verlegenheit schwand.
    »Ja, warum, das ist es eben. Urteile selbst. Marja Afanassjewna ist eine reiche alte Frau, und an Erben ist kein Mangel. Ihre Kinder sind verstorben, doch da sind Enkel und Enkelin, die jungen Fürsten Telianow. Außerdem gibt es eine weitläufige Verwandtschaft, alle möglichen Kostgänger, allerlei Freunde. Sie ist eine gutmütige Frau, aber zänkisch. Und sie hat eine starrsinnige Gepflogenheit: Nachgerade jede Woche bestellt sie den Advokaten aus der Stadt und setzt ein neues Testament auf. Hat sie sich über jemanden geärgert, so streicht sie ihn, und war ihr jemand gefällig, so erhöht sie seinen Anteil. Und hier setzt meine
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