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Akunin, Boris - Pelagia 01

Akunin, Boris - Pelagia 01

Titel: Akunin, Boris - Pelagia 01
Autoren: Pelagia und die weissen Hunde
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wieder konnte sich Mitrofani nicht entschließen, zur Sache zu kommen. Er räusperte sich, ging wieder auf und ab. Fragte nach den Mädchen in der Schule. Ob sie fleißig seien, ob sie gerne lernten, ob die Schwestern ihnen auch nichts Überflüssiges beibrächten, was ihnen im Leben nicht helfe, sondern nur hinderlich sei.
    »Man hat mir erzählt, dass du sie das Schwimmen lehren willst. Wozu? Du sollst am Fluss ein Badehäuschen haben und mit ihnen im Wasser herumplätschern? Ist das wohl gut?«
    »Das Schwimmen ist für sie notwendig, weil es erstens die Gesundheit kräftigt und die Glieder biegsam hält und weil es zweitens zum Ebenmaß beiträgt«, erwiderte die Schwester. »Sie kommen ja aus armen Familien und werden keine Mitgift erhalten. Wenn sie groß sind, müssen sie einen Bräutigam finden . . . Aber, Vater, Ihr habt mich doch auch nicht wegen der Schule herbestellt. Wir haben doch schon vor drei Tagen über die Schule und das Schwimmen gesprochen.«
    Pelagia gehörte nicht zu denen, die sich lange an der Nase herumführen lassen, darum kam Mitrofani nun endlich auf das zu sprechen, was er sich letzte Nacht vor dem Ein schlafen ausgedacht hatte.
    »Der Esel, von dem ich dir gesprochen habe, bin ich selbst. Deinen dringenden Bitten nachgebend, aber mehr noch meiner eigenen Eitelkeit, die sich für einen Seelenhirten überhaupt nicht schickt, halte ich vor aller Welt geheim, dass die wahre Größe im Enträtseln und Durchschauen von Verborgenem nicht ich alter Dummkopf bin, sondern du, die stille Nonne Pelagia. Von mir, wie von jenem ruhmsüchtigen Esel, erwarten alle Wunder und neue Einsichten. Jetzt würde mir niemand mehr glauben, wenn ich erklärte, dass alles durch deinen Scharfblick aufgeklärt wurde und ich es dir als Kirchenbuße auferlegt habe.«
    Die Stricknadeln hörten auf zu klappern, in den runden braunen Augen blinkten Lichter.
    »Was ist geschehen, Vater? Gewiss nicht in unserem Gouvernement, sonst wüsste ich davon. Ist wieder, wie letztes Jahr in der Fastnachtswoche, Kirchengeld geraubt worden?«, fragte die Schwester mit ungeduldiger Neugier. »Oder ist, Gott behüte, eine geistliche Person gemeuchelt worden? Was für eine Kirchenbuße wird Euer Bischöfliche Gnaden mir diesmal auferlegen?«
    »Nein, ein Mensch wurde nicht ermordet.« Mitrofani wandte sich verlegen ab. »Hier geht es um etwas anderes. Nicht um ein Verbrechen. Jedenfalls ist das nichts für die Polizei. . . Ich erzähle es dir, höre mir erst mal zu. Hinterher kannst du sagen, was du dazu meinst. Stricke nur. Stricke und höre zu.«
    Er trat ans Fenster, und während er sprach, blickte er in den Garten und trommelte ab und zu mit den Fingern gegen den Rahmen.
    »Nicht weit von hier, acht Werst wohl, liegt das Gut meiner Tante Marja Afanassjewna Tatistschewa. Sie ist schon sehr alt, doch früher einmal galt sie als eine der schönsten Frauen von Petersburg. Ich erinnere mich, als ich ein Junge war, kam sie uns öfters besuchen. Sie war jung und lustig, spielte Dame mit mir . . . Sie heiratete einen Offizier, einen Regimentskommandeur, zog mit ihm in verschiedene entlegene Garnisonen, dann nahm er seinen Abschied, und sie ließen sich hier in Drosdowka nieder. Ihr Mann Apollon Nikolajewitsch, der inzwischen verstorben ist, war ein leidenschaftlicher Hundenarr. Er unterhielt den besten Hundezwinger im Gouvernement, hatte Barsois, Jagdhunde, Vorstehhunde. Einmal kaufte er einen Welpen für tausend Rubel, so verrückt war er. Aber all das dünkte ihn noch zu wenig, er träumte davon, eine ganz besondere, nie da gewesene Rasse zu züchten. Mit diesem Vorhaben gab er sich den Rest seines Lebens ab. Er nannte die Rasse › weiße russische Bulldoggen Sie hat ein Fell, weiß wie Milch, ein besonders platt gedrücktes Profil (die Hundezüchter haben dafür einen bestimmten Namen, ich habe ihn vergessen) und lange Haare um die Hängelefzen. Die hauptsächliche Besonderheit aber, die den ganzen Reiz ausmacht, ist das braune rechte Ohr bei durchweg weißem Fell. Ich weiß nicht mehr, worin der Sinn besteht. . . Ich glaube, als Apollon Nikolajewitsch bei der Gardekavallerie diente, hatten sie in der Schwadron die Mode, den Helm etwas schief aufzusetzen. Daran soll das Ohr wohl erinnern. Ach ja, noch etwas: Die Hunde sollen reichlichen Speichelfluss haben, zu welchem praktischen Zweck, weiß ich nicht. Kurzum, grauenhaft hässliche Scheusale. Apollon Nikolajewitsch verfuhr folgendermaßen. Er ließ alle Herrenhäuser in ganz Russland,
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