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Akte X

Akte X

Titel: Akte X
Autoren: Seilbahn zu den Sternen
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gesehen, als mehrere Rettungswagen eingetroffen waren. Duane hatte die Jalousien herabgezogen, aber ein bißchen Licht fiel immer noch zwischen den Ritzen hindurch und erfüllte den abgedunkelten Raum mit einem schwachen Widerschein. Zumindest sprachen sie mittlerweile mit Barry.
    Hakkie versuchte sich vorzustellen, was dort draußen geschah. Da es sich um eine Geiselnahme handelte, mußte das FBI vor Ort sein. Und das FBI war gut, oder? Deren Leute waren darin ausgebildet, mit solchen Situationen umzugehen. Sie würden ihre forensischen Psychologen, ihre Handbücher und ihre Aktionspläne auffahren, die sie an ähnlichen Szenarien erprobt und eingesetzt hatten.
    Das Problem war, daß sie Duane Barry nicht kannten. Wahrscheinlich hatten sie Erfahrungen mit Personen wie ihm, aber sie kannten den speziellen Fall nicht. Sie wußten nicht, wie sich seine Neigung zur Gewalttätigkeit während seines Krankenhausaufenthalts gesteigert hatte. Duane hatte nie richtig auf eine Behandlung angesprochen. Zum Teufel, er konnte es sich ruhig eingestehen. Niemand hatte ernsthaft versucht, Duane wirklich zu behandeln. Nein, Leute wie dieser Mann wurden mit allen möglichen Medikamenten vollgepumpt, die stark genug waren, sie ruhigzustellen. Mit Thorazin, Compazin, Haldol und anderen neuroleptischen Wirkstoffen. Mit Chemikalien, die die elektrischen Nervenbahnen in ihren Gehirnen lahmlegten. Und dann wartete man einfach ab.
    Wenn man lange genug wartete, waren Männer wie Duane Barry irgendwann zu alt und zu müde, um noch durchzudrehen - oder zumindest um gewalttätig zu werden. Dann konnte man sie gefahrlos entlassen. Und wenn sie danach auf den Straßen herumhockten und unsichtbare Fremde ankeiften... na und? Das Leben war nun mal hart.
    Trotzdem gelang es Hakkie nicht, zu verdrängen, daß er einen Fehler gemacht hatte, vielleicht sogar einen fatalen. Er hatte geglaubt, Duane wäre bereits müde geworden. Aber er hatte sich getäuscht. Duane hatte nur gewartet und auf seine Chance gelauert.
    »Sie bilden sich ein, Sie wüßten, was ich durchmache?« brüllte Duane plötzlich. Er umklammerte den Telefonhörer so fest, daß Hakkie einen Moment lang die verrückte Vorstellung hatte, die Haut über seinen Fingerknöcheln müsse jeden Augenblick aufplatzen. »Sie wollen wissen, was Duane Barry durchmacht? Einen Dreck wissen Sie!«
    Er starrte den Telefonhörer in seiner Hand mit verzerrtem Gesicht an. Aus der Muschel drang eine blecherne Stimme, gerade laut genug, daß Hakkie sie verstehen konnte.
     
    »Ich weiß, wie Sie sich fühlen, Duane. Und daß Sie sich wünschen, daß alles ein gutes Ende nimmt.« Ja, dachte Hakkie, richtig so. Wer immer du bist, geh auf seine Wahnvorstellungen ein. Mach ihn, um Gottes willen, nicht noch wütender, als er ohnehin schon ist...
     
    Duane verzog höhnisch die vollen Lippen. »O ja, sicher!« fauchte er in den Hörer. »Damit die mich wieder in diese Klappsmühle stecken können... wo ich ja wohl hingehöre!«
    Das siehst du völlig richtig, dachte Hakkie, als Duane ein abgehacktes bitteres Lachen ausstieß. Genau da gehörst du hin. Und da würdest du immer noch sein, wenn ich nicht ein solcher Idiot gewesen wäre.
    Duane näherte sich langsam den Vorderfenstern. Hakkie konnte die Stimme aus dem Telefon immer noch hören, obwohl sie allmählich leiser wurde.
     
    »Alles, worum es uns geht, ist Ihre Sicherheit, Duane. Und die Ihrer Geiseln.«
    Als Duane das Fenster erreicht hatte, duckte er sich ein wenig und öffnete einen schmalen Spalt zwischen den Blättern der Jalousie. Die blinkenden Warnlichter von draußen spiegelten sich auf seinem Gesicht, während er durch die Ritze spähte.
    Hakkie fragte sich, was der Mann dort sah. Er verrenkte verstohlen den Hals und schielte über Duanes Schulter hinweg. Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes konnte er undeutlich ein anderes erleuchtetes Büro und eine einzelne Gestalt sehen, aber keine weiteren Details ausmachen. War das der Mann, der mit Duane sprach?
    Er verspürte ein unheimliches Gefühl völliger Ohnmacht und Hilflosigkeit.
     
    Duane begann wieder zu sprechen. Seine Stimme klang trotzig wie die eines Kindes, eines bösartigen Kindes. Voller weinerlicher Anklage, erstickt von schmutzigen Geheimnissen.
     
    »Heh, wie heißen Sie? Muldeer? Ich kenne Ihre Vorgehensweise...«
     
    Er ließ die Jalousie los, richtete sich auf und drehte sich um. Seine fiebrig glänzenden Augen funkelten triumphierend.
     
    »Aufrichtigkeit«, sagte er.
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