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Airport-Klinik

Airport-Klinik

Titel: Airport-Klinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Verzweifelt warf er einen Blick zurück ins Restaurant. Dort hatte man den Vorfall bemerkt, drückte die Nasen an den Scheiben platt, aber niemand eilte zur Hilfe heraus. Am Büffet schrie Sybille hysterisch, es klang wie eine Sirene. Erst nach langer Verzögerung bewegten sich zwei Gäste, rannten endlich zur Terrassentür, rissen sie auf.
    Hellerfas hörte, wie das Kleid der Frau zu reißen begann, wie ihr wildes Strampeln den letzten Halt zerfetzte. Nur noch ein paar Sekunden fehlten, bis der Stoff so weit einreißen würde, daß er nicht mehr hielt und die Frau in die Tiefe stürzte.
    »Hilfe!« schrie Hellerfas noch einmal und hatte das Gefühl, als werde er vom Gewicht der Frau selbst über das Geländer in die Tiefe gezogen. »Hilfe!«
    Die beiden Gäste erreichten Hellerfas in dem Augenblick, als der Stoff unter seinen Händen endgültig zerriß und die stumme, strampelnde Frau wie aus einem Futteral herausrutschte. Einen Sekundenbruchteil zu spät griffen die vier Hände nach den Beinen und Armen der Frau … hilflos, mit verzerrten Gesichtern und mit Entsetzen in den Augen, sahen sie zu, wie der Körper hinunterstürzte in das Gewühl aus Menschen, Gepäckkarren, Koffern und Taschen.
    Einer der Gepäckwagen, der aus unerfindlichen Gründen – denn es regnete ja nicht – mit einer Plane überdeckt war, wurde für die stürzende Frau zur Rettung. Sie fiel auf die Plane, und die Koffer und Taschen darunter federten den Sturz zusätzlich ab.
    Mit einem klatschenden Laut schlug sie auf. An ihrem Kopf platzte die Kopfhaut, Blut überschwemmte das Gesicht – denn nichts blutet mehr als eine Kopfwunde –, und als von allen Seiten die Menschen herbeistürzten, hatte sie die Besinnung verloren.
    »Mann, hat die ein Glück gehabt …«, stotterte Hellerfas und wischte sich den Schweiß vom Gesicht, »'ne Minute später, und sie wäre voll auf den Beton gekracht. Aus! So etwas Idiotisches, hier runterzuspringen. Wenn man sich umbringen will, gibt's angenehmere Todesarten.«
    Drei Flughafenarbeiter hoben die Frau vorsichtig von dem Gepäckwagen und trugen sie zu einem der Follow Me-Wagen. Einer zog sein Hemd aus und wickelte es um ihren blutenden Kopf.
    Dann raste der Wagen laut hupend los und verschwand um eine Ecke.
    »Wo bringen Sie die jetzt hin?« fragte einer der Gäste, die Hellerfas zu Hilfe geeilt waren.
    »In die Airport-Klinik.«
    »Airport-Klinik? Was ist denn das?«
    »In unsere Klinik, mein Herr.«
    »Was? Der Flughafen hat 'ne eigene Klinik? Davon habe ich noch nie was gehört. Eine richtige Klinik?«
    »Seien Sie froh.«
    »Eine Klinik mit allem Drum und Dran?«
    »Ja … mit fünf Ärzten, einundzwanzig Schwestern und Krankenpflegern, mit OP und allen Einrichtungen, wie sie auch die Stadtkliniken haben.«
    »Und keiner weiß das?!«
    »Die es nötig haben, wissen's dann. Diese Selbstmordkandidatin wird die Airport-Klinik nie vergessen, das sag ich Ihnen.«
    Hellerfas blickte noch einmal auf die Stelle, wo die Frau auf den Gepäckkarren gestürzt war, wandte sich dann ab und ging in das Restaurant zurück. Vier neue Gäste waren unterdessen gekommen … einmal Schnitzel natur, zweimal Kohlroulade, einmal Bockwurst mit Pommes frites.
    Das Leben ging weiter. Das Leben, das ein Mensch hatte wegwerfen wollen.
    Chefarzt Dr. Hansen war jetzt zehn Stunden im Dienst und hatte Lust auf ein Glas Bier – ein riesiges Glas, dachte er, und ich zische es weg in einem Zug. Außerdem sehnte er sich nach der gemütlichen Couchecke in seiner Wohnung, nach seinem seidenen Hausmantel, nach Musik von einer CD – irgendetwas von Mozart, das ihn umschmeichelte. Und er freute sich auf Evi. Evi Borges, Stewardeß bei der Lufthansa. Laut Flugplan würde sie in etwa einer Stunde, von Karatschi kommend, landen.
    Sie würde dann in das nächste Taxi springen und zu ihm fahren, ihm um den Hals fallen und sein Gesicht mit Küssen bedecken. Er würde sie ins Zimmer tragen, und ein Abend und eine Nacht würden beginnen, in der er sagen konnte: Ja, ich bin glücklich. Ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt!
    Und in dieser Nacht würde er auch vergessen, daß eine andere Frau in seinen Armen lag, wenn Evi irgendwo in weiter Ferne durch die Luft schwebte. Eine Frau, die vor Leidenschaft glühte: Lukrezia Bonelli. Schwester Bonelli aus der Airport-Klinik. Heute machte sie Nachtschicht … vor Überraschungen war man also sicher.
    Dr. Hansen, genannt der ›schöne Fritz‹, war eigentlich der Prototyp eines Gynäkologen und
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