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Ahnentanz

Ahnentanz

Titel: Ahnentanz
Autoren: Heather Graham
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… Refugium von mir entdeckt. Hier stand ein Sarg mit Überresten eines Soldaten aus jener unglückseligen Auseinandersetzung zwischen Nord und Süd. Der Körper war natürlich ziemlich verwest, doch es gab noch ein Tagebuch, das in einem Stück Öltuch eingeschlagen und recht gut erhalten war. Ein ziemlich interessanter Mann. Er und ich hatten viel gemeinsam. Und nicht nur das, in seinem Tagebuch beschrieb er, wie er sich hier der Leichen entledigte. Das hat die Dinge für mich so viel einfacher gemacht. Und so …“
    „Und so hat Amelia Lichter gesehen“, sagte sie.
    Er lächelte. So wie Jon Abel immer lächelte. Er hatte sich noch immer nicht verändert.
    Verändert hatte sich nur, dass sie jetzt wusste, was für ein Monster er war. Dass sie wusste, dass er töten und falsche Berichte ausstellen konnte, falls seine Opfer jemals auftauchen sollten.
    Er konnte auch einen Einbruch im Büro des Gerichtsmediziners vortäuschen.
    „Okay, tut mir leid“, sagte sie sanft. „Das hier wird für Sie vermutlich eine ziemlich … lächerliche Frage sein, aber warum ?“
    „Wegen des Hungers “, sagte er, als ob ihr das klar sein müsse.
    „Und weil ich ein Genie bin, aber das weißt du bereits. Nicht jedem Mann darf es erlaubt sein, seinem Hunger nachzugeben, doch als Genie verdiene ich es, mir zu nehmen, was ich möchte. Und weil ich bei meiner Arbeit so viel Hässliches zu sehen bekomme, bin ich seit Kurzem … hungriger. Und deshalb brauche ich die Hübschen, lebend und voller Angst … Zuerst bin ich natürlich ganz zärtlich“, sagte er und kam auf sie zu. Doch das Messer hielt er noch immer unten. Er würde noch nicht zuschlagen.
    Wenn sie nur irgendwas entdecken würde, das sie als Waffe benutzen könnte.
    Er stellte sich vor sie. „Siehst du?“, sagte er sanft und deutete auf die Leichenteile, die um sie herum im Wasser schwammen. „Der Tod kann so hässlich sein. Aber nicht am Anfang. Er nimmt die Panik aus den Augen einer Frau und ersetzt sie durch Frieden, den Frieden, den der Tod mit sich bringt. Und das ist schön, so schön. Bis die Verwesung eintritt. Und es gibt niemanden, der die Verwesung aufhalten kann.“
    Aus dem Augenwinkel sah sie einen Oberarmknochen. Ihr Herz flatterte. Der Knochen trug noch die Überreste eines schwarzen Sweatshirts.
    Er war jetzt dicht bei ihr, sehr dicht. Er streckte die Hand aus und berührte ihr Gesicht. „Du bist so hübsch.“
    Jetzt oder nie.
    Sie beugte sich rasch nach dem Knochen hinunter und zog ihn in einer schnellen Bewegung nach oben und mit Wucht über sein Gesicht. Er schrie heiser auf und prallte zurück. Sie hob ihre Waffe, um erneut zuzuschlagen, doch er war schnell wieder bei ihr und hielt ihren Arm mit überraschender Kraft fest. Er presste sie gegen die Wand und hielt sie dort fest, wobei es ihr aber gelang, die Waffe festzuhalten.
    „Du verstehst es nicht“, rief er zornig.
    „Doch, das tue ich“, erwiderte sie in Rage. „Aber Sie sind derjenige, der nicht versteht. Der Körper verwest, aber nicht die Seele.“
    „Was?“, wollte er wissen.
    „Ich wusste von Ihnen. Die Geister haben es mir gesagt.“ Verblüfft von ihren Worten zögerte er.
    „Dieser Soldat, Victor Grebbe. Er tötete hier Frauen. Die Geister wussten es, und sie wussten, dass es erneut geschieht. Aber sie sind nicht gewillt, Sie damit durchkommen zu lassen. Wenn ich Sie wäre, würde ich zusehen, hier rauszukommen. Ich würde fortlaufen. Sie können sich verstecken. Sie können verschwinden. Sie sind ein Genie, erinnern Sie sich? Sie verdienen es, zu leben. Aber Sie müssen raus hier, jetzt, wenn Sie den Geistern entkommen wollen.“
    „Den Geistern?“, fragte er kühl.
    „Sie sind jetzt hier“, sagte sie.
    „Du bist verrückt, weißt du das?“ Seine Hand zuckte.
    Die Hand mit dem Messer.
    Sie hatte seinem Griff nichts entgegenzusetzen, aber Henry … Henry war neben ihr und bemühte sich, Abels Griff zu lockern.
    Jon Abel runzelte die Stirn, als spüre er, dass ihn etwas berührte, und sein Griff ließ ein winziges bisschen nach.
    Das reichte.
    Sie schlug so hart wie möglich mit dem Knochen zu, wobei sie diesmal auf seine Messerhand zielte. Als Belohnung hörte sie, wie das Messer klappernd gegen die Wand fiel und dann mit einem Klatschen in dem Wasser um ihre Knöchel versank.
    Sie befanden sich hier nicht unter dem Meeresspiegel, begriff sie. Es war der Fluss. Er musste nah sein.
    Irgendwo hier musste es eine Verbindung zum Fluss geben. Sie umklammerte ihre Waffe,
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