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Agrippina - Kaiserin von Rom

Agrippina - Kaiserin von Rom

Titel: Agrippina - Kaiserin von Rom
Autoren: Rolf D. Sabel
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ihre Strenge wich mütterlicher Zärtlichkeit.
    »Lucius, mein Liebster, komm und begrüße den Tribun Valerius Aviola, einen vertrauten Freund.«
    Valerius musterte neugierig den Ankömmling, den er bisher nur selten im Palast gesehen hatte, weil ihm dieser Teil des Gebäudes nicht unterstand. Unter den rotblonden Haaren blickten ihm blaugraue, trübe Augen misstrauisch entgegen. Für sein Alter war er eher zu klein. Auffallend, dass die spindeldürren Beine in krassem Missverhältnis zu dem ausgeprägten Oberkörper standen. Rote Flecken verunzierten sein eigentlich ansehnliches Gesicht. Der Prinz trug eine rote langärmelige Tunika, die mit goldenen Ornamenten geschmückt war. Der Blick, den er dem Tribun zuwarf, war kaum freundlich zu nennen. Trotzdem verzog sich sein Mund zu einem gequälten Lächeln.
    »Sei gegrüßt, Tribun.«
    Valerius schlug seine Faust an die Brust und grüßte den möglichen Thronfolger mit einem Kopfnicken.
    »Salve, Princeps!«
    Lucius verschwendete keinen weiteren Blick an den Offizier.
    »Beste Mutter«, rief der junge Mann, den spätere Generationen nur noch mit seinem Beinamen Nero nennen sollten, »wann kommt denn nun endlich Seneca? Ich möchte mich mit Antisius zum Spiel verabreden.«
    »Er wird sicher gleich kommen, Lieber, und wenn du deine Studien in Philosophie und Griechisch erledigt hast, magst du dich mit Antisius treffen. Geh nur solange nach nebenan.«
    Lucius warf einen scheelen Blick auf Valerius und verließ wortlos den Raum.
    »Ich denke, wir haben alles besprochen.« Agrippina stand auf und blickte Valerius durchdringend an. »Die Götter mögen dich nach Germanien begleiten.«
    Valerius hatte den Raum kaum verlassen, als er mit einem hastig eilenden Mann zusammenstieß.
    »Lucius Annaeus Seneca, verzeih!«
    »Ich habe dich um Verzeihung zu bitten, Tribun«, erwiderte der Angesprochene atemlos.
    »Ich war in Eile, denn ich werde von der Augusta und dem jungen Prinzen zum Unterricht erwartet, und beide warten nicht gerne.«
    »Ich würde gerne mit dir sprechen, ich habe da ein ...«
    »Nicht jetzt«, antwortete Seneca, »keine Zeit! Wenn es wichtig ist, so komme im Lauf des Nachmittags in mein Haus, dann haben wir Zeit. So zur zehnten Stunde. Jetzt muss ich gehen, man erwartet mich.«
    Mit einem flüchtigen »Vale« eilte er weiter.
    Nachdenklich ging Valerius die langen Gänge entlang, drängte sich durch die Menge der Wartenden, grüßte nach hier und nickte nach dort, als er plötzlich einen leichten Schlag in die Seite erhielt.
    » Excusa me !« Ein unbekannter junger Ritter hatte ihn angerempelt und entschuldigte sich freundlich, dann war er verschwunden.
    Mit sorgenvoller Miene verließ der Tribun den kaiserlichen Palast. So vieles war noch zu regeln. Der plötzliche Befehl zum Aufbruch stellte ihn vor einige Probleme. Vor allem war da Cynthia, seine Verlobte, der er kaum seine plötzliche Abreise erklären konnte und die doch jetzt schon im Übermaß zur Eifersucht neigte. Cynthia Cornelia, aus dem uralten Geschlecht der Cornelier, ihm an Abstammung, Namen – und Reichtum – in vielfacher Hinsicht überlegen.
    Sein Gesicht nahm einen zärtlichen Ausdruck an, als er an die junge, temperamentvolle Frau mit den lockigen schwarzen Haaren und den großen blauen Augen dachte. Seit vier Jahren kannten sie sich, seit einem Jahr waren sie verlobt. Die Hochzeit war für das kommende Jahr geplant.
    »Es nützt nichts«, seufzte Valerius, »ich werde es ihr irgendwie beibringen müssen.«
    Valerius hatte inzwischen das vornehme Wohnviertel des Palatinus verlassen und eilte über den Clivus Victoriae vorbei an den riesigen Getreidespeichern zu den Wohnsitzen der Cornelier.

    »Haltet den Dieb! Haltet ihn!« Valerius’ Aufmerksamkeit wurde plötzlich durch die durchdringende Stimme eines dickbäuchigen Mannes – der schmale Streifen an seiner Toga wies ihn als Angehörigen des Ritterstandes aus – in Anspruch genommen, der mit hochrotem Gesicht hinter einem jungen Burschen herlief. Offensichtlich war der mit der Geldbörse des Dicken unterwegs. Sekunden später waren beide hinter der nächsten Ecke verschwunden. Unwillkürlich tastete Valerius nach dem Goldbeutel der Agrippina, den er unter seinem Lederpanzer versteckt hatte. Seine Hände erfühlten aber nicht nur den Beutel, sondern auch einen kleinen zusammengerollten Papyruszettel. Nanu? Wo kam der her? Den musste ihm irgendjemand zugesteckt haben. Neugierig entrollte er den zusammengerollten Zettel, auf dem stand:
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