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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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freiliegender Feder, die er mit einem Tuchballen regelmäßig abtupfte.
    Er kam mir sehr verwöhnt vor, und er hatte Manieren wie einer, dem man alles Lästige abgenommen hatte. In den Pausen spielte er mit den anderen nur wie zum Test, ein paar Sprints, kurze Ballkontakte, gezielte Würfe, weit über das Feld; später wusch er sich gründlich die Hände. Ich sah ihn nie mit gerötetem Kopf, er schien kaum zu schwitzen, selbst nicht bei besonderen Anstrengungen. Er turnte gut, am besten gelang ihm die Hocke am Pferd, doch niemand sah ihn lange an den Geräten, es war, als gehorchten seine Glieder sofort dem, was er sich vornahm. Am liebsten spielte er Basketball; es war genau das richtige Spiel für ihn, er berührte den Ball nur mit den Fingerspitzen und schien beim Korbwurf zu wachsen, kurz, für einen Moment, bevor er den Ball losschickte. Nur bei diesem Spiel fiel er auf, weil er meist zu lange am Ball blieb, dribbelnd, die anderen foppend, mit dem Blick eines Belustigten, der allen etwas vorzauberte. Doch ihm fehlte der Ehrgeiz, der zu einem ausdauernden Training gehörte, und so nahm man ihn nicht in die Klassenmannschaft auf, wo man auf Pauls Kommando hörte, denn Paul war der Sprecher, und er vergab nach jedem Spiel Noten, um alle im Griff zu behalten.

     
    Ich tat nichts, um Bloks Schweigen zu brechen. Wochenlang saß ich neben ihm, ohne ihn etwas zu fragen; ich respektierte, daß er für sich sein wollte, und meldete mich weniger als früher, damit er mich nicht für einen Streber hielt. Ich wußte nicht, was er so von mir dachte, und ich war zu stolz, ihm entgegenzukommen, denn er schien zu glauben, er habe einen Vorsprung vor uns.
    Fast jeden Morgen brachte Vater Sarah und mich mit dem Wagen zur Schule, und wenn es sich ergab, ging ich nach Schulschluß mit Walter nach Hause, denn Walter wohnte in der Nähe. Ab und zu begleitete ich auch einige Mitschüler zum Busbahnhof und wartete dort mit ihnen; dann sahen wir Blok, wie er eine Cola im Café trank, allein an einem Tisch, in einer Illustrierten blätternd. Er kam nie zu uns herüber, erst wenn der Bus vorrollte, trank er sein Glas aus und machte sich auf den Weg. Im Bus setzte er sich ganz nach hinten, und später sah ich seinen langgestreckten Hinterkopf, wenn der Bus in die Hauptstraße einbog.
     
    Ich hatte mir vom Leben in der Kreisstadt etwas erhofft, doch schon bald war es so langweilig wie früher, zuviel Schule und die wenigen Straßen, die man schnell satt hatte. Ich traf mich mit Walter, und wir fuhren auf Rädern hinaus zum Bolzplatz. Fußball zu spielen war eine Endlosbeschäftigung, jeder Nachmittag ein Langlauf ohne Pausen, mit einer Strecke, die einen meist überforderte. Am Abend war der Körper wie tot, als sei alles Blut in die Beine gesackt, und ich kam erst auf meiner Liege zu mir, wenn Sarah nebenan mit ihren Freundinnen zeterte. Sie traten auf wie ein Schwarm, immer redeten mehrere zugleich und verbesserten sich gegenseitig rechthaberisch, wobei es oft um die Gewohnheiten der Eltern ging. Ich hörte,
wie Sarah darauf bestand, daß Vater ein guter Anwalt sei; sie glaubte, er trete vor Gericht auf wie ein Star, denn sie wußte nicht, daß es in solchen Gerichten ohne Geschworene zuging. Sie fragte ihn aus, wenn er am Abend mit seinen Akten nach Hause kam, doch er wollte nichts hören, zog die Schuhe aus, lockerte seine Krawatte, öffnete den Kragenknopf und streckte sich in seinen Sessel. Ich sah, wie er später die Akten studierte; er war viel zu erschöpft, und die Akten rutschten ihm aus den Fingern, wenn er seiner Müdigkeit nachgab. Waren wir im selben Zimmer wie er, mußten wir still sein; doch er las nur, damit wir Ruhe hielten und er sich nichts für uns ausdenkenmußte.
    Für mich war die Zeit der Kinderspiele vorbei, ich wußte es genau, wenn ich Sarah beobachtete, die mit ihren Freundinnen Familien gründete, Kinder aufzog und fürs Essen sorgte. Am liebsten wäre ich ständig weit weggefahren, raus aus dieser Kleinstadt, wo man in den Geschäften nach dem Namen der Eltern gefragt wurde. So vertrieb ich mir die meiste Zeit mit dem Fahrrad, das war das Beste, lange Anstiege mit dem glasigen Blick auf die paar Meter voraus und schnelle Abfahrten, wenn kühler Wind den schweißnassen Rücken abtastete. Auf die Ziele kam es nicht an, es waren immer dieselben Hunsrückdörfer, Durchfahrtstraßen mit lästigen Ampeln und eine Tankstelle am Ortsausgang.
    Ich fuhr allein, manchmal mit Walter, seltener auch mit mehreren. Walter
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