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Agenten - Roman

Agenten - Roman

Titel: Agenten - Roman
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Lebensmittelgeschäft und Walters Vater und wie ich ihm geholfen hätte an manchen Nachmittagen, sie sprach von unseren Zimmern, den beiden schmalen Räumen nebeneinander, und wie sie meine Musik mitgehört habe, manchmal stundenlang. Sie strich mir wie einem Buben übers Haar, und ich wehrte mich nicht, ich war still jetzt wie sie, denn auch ich sah plötzlich das Lebensmittelgeschäft und den gealterten Mann, dem ein Bein fehlte und der lächelnd im Eingang stand. Ich hörte ihr zu, nie waren wir uns so nahe gewesen, mit einem Mal waren diese frühen Geschichten Geschichten zu zweit , und ich hielt meine Schwester, die zu mir gefunden hatte nach all diesen Jahren.
     
    Am Mittag waren Mutter und der mit unserer Familie befreundete Psychiater erschienen. Er hatte sich mit Sarah für mehr als eine Stunde zurückgezogen. Später hatte er Mutter und mir gegenüber erklärt, das paranoide Konzept sei noch nicht ganz zur Entfaltung gekommen. Ich hatte Sarahs Koffer gepackt, sie hatten sie mitgenommen nach Haus.
     
    Ich war nun viel allein, von den guten Freunden war mir nur Männie geblieben. Meine Unternehmungslust war längst verbraucht, und ich tat meine Arbeit, um mich wenigstens an irgend etwas zu halten. Die Tage und Wochen vergingen, ich war kraftlos geworden, eine müde, verbrauchte Gestalt, von den letzten Illusionen befreit.
    Schließlich hatte ich meinen Urlaub beantragt, ich wollte fort, die Zeit stand mir zu. Wenige Tage später ließ Piehl
mich zu sich kommen. Zum ersten Mal trafen wir in seinem Arbeitszimmer zusammen.
    »Setzen Sie sich, Meynard! … Sie haben Urlaub beantragt?«
    »Ja, ich glaube, ich hab ihn verdient.«
    »Haben Sie, Meynard, haben Sie! Wie Sie damals die Kurve gekriegt haben, das war allerhand! Die Serie über die Anzeigentreffs war ein großer Erfolg. Ich hätte schon nicht mehr auf Sie gesetzt.«
    »Nein? Sie sind kleingläubig!«
    »Würde ich nicht sagen, Meynard, kleingläubig nicht, nur ein Mann mit großer Erfahrung. Und jetzt also der Urlaub! Trotz dieses großen Erfolgs scheren Sie gerade jetzt aus?«
    »Einige Wochen wird es ohne mich laufen.«
    »Das sagen Sie so. Wer hat schon diese Phantasie, Meynard, diese freie Erfindung, Sie sind doch ein Meister darin.«
    »Was meinen Sie?«
    »Meynard, nun mal im Ernst! Es gibt Stimmen, gewichtige Stimmen hier im Haus, die zweifeln an Ihren Berichten …«
    »Inwiefern?«
    »Die zweifeln an Ihrer journalistischen Praxis …«
    »Genauer!«
    »Es heißt, Sie haben die Anzeigengeschichten erfunden. Wenn das wahr ist, dann sind die Konsequenzen kaum abzusehen. Aber es existieren noch andre Versionen. Und da hört man nun, Sie hätten diese Geschichten perfekt inszeniert. Ihr Mitarbeiter habe als Lockvogel gedient, er habe die Frauen an Land gezogen, Männie … Dings, Sie wissen schon, wen ich meine. Weiter! Gegen diesen Mitarbeiter liegen Beschwerden vor, schwerwiegende Vorwürfe, ich möchte Sie nicht mit allem belasten, aber es gibt Indizien für Drogenhandel. Sie hatten Ihre Leute offensichtlich nicht immer unter Kontrolle, der
Job ist Ihnen entglitten, Sie haben gefährlich mit dem Feuer gespielt. Geschichten inszenieren …! Wissen Sie, was uns blüht, wenn die Konkurrenz davon was spitzkriegt? Lauter Verstöße gegen das Pressegesetz, unsaubere Arbeitsmethoden, fast schon an der Grenze zum Kriminellen…«
    »Sagen Sie ehrlich, wer hat Ihnen davon erzählt?«
    »Das tut nichts zur Sache. Die Chefredaktion muß sich absichern gegen fremde Elemente im Haus, auch wir haben unsere Zuträger…«
    »Schmahl, nicht wahr? Schmahl ist Ihr Spion. Sie vertrauen diesem Mann mehr als Ihren Redakteuren, Sie setzen ihn an, hier Unfrieden zu stiften, Sie bestechen ihn mit kleinen Präsenten, so ist es doch?«
    »Herr Schmahl ist einer unserer zuverlässigsten Mitarbeiter, ich erlaube Ihnen nicht, seine Redlichkeit anzuzweifeln!«
    »Redlichkeit! Der und Redlichkeit! Ich kenne seine Methoden genau, er mischt überall mit, er ist das laufende Gerücht, so einem wie dem würde ich nie über den Weg trauen.«
    »Sehen Sie, genau das ist ein Irrtum. Sie haben sich der falschen Leute bedient, so muß ich jetzt denken…«
    »Haben Sie mich deshalb zu sich bestellt, um diesen Wust von Anschuldigungen vor mir zu entladen? Darf ich Sie daran erinnern, daß Sie alle Projekte beifällig aufgenommen haben, daß die Auflage gestiegen ist, nicht zuletzt wegen des Erfolgs meiner Seite?«
    »Sie haben unbestreitbare Verdienste, die will Ihnen niemand
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