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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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den „westlichen“ Fortschritt an und führen dabei die Tradition im Mund.
    Nach all den Niederlagen, Enttäuschungen und bitteren Einsichten, je größer der Abstand von der Richtigen Welt und die Abhängigkeit von ihr wird, je deutlicher eigentlich jedem klar sein müsste, dass die eigene Tradition einem nicht helfen kann, und je gebildeter ein Afrikaner ist, um so rückhaltloser wird er auf seine Tradition zurückgeworfen. Das ist die Ironie der Geschichte. Und so kommt es, dass sie nach Paris reisen und mehr im Wert ihrer Tradition bestärkt zurückkommen, als sie ursprünglich losgefahren sind.
    Deshalb warnt Professor Lam unverhohlen vor der westlichen Entwicklung. In „Maats Triumph“ schreibt Baraa am Ende seines Studiums in Paris an einen Freund im Senegal: „Die menschliche Kälte und der Individualismus hier sind dabei, den Menschen zu ersticken und langsam zu töten. Wenn das Entwicklung ist, ziehe ich unter dem Strich bei weitem unsere Unterentwicklung vor. Denn trotz unserer materiellen Entbehrungen haben wir die Tugenden und Qualitäten, ohne die man vom Menschen an sich nicht reden könnte.“
    Natürlich ist es mit der „menschlichen Wärme“ der afrikanischen Gesellschaften auch nicht weit her. Aber darum geht es Baraa/Lam auch gar nicht. Es geht darum, sich die Realität so einzurichten, dass man sie ertragen kann, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, sein Selbstwertgefühl zu stärken, um sich etwas besser zu fühlen.
    Gegen die Annehmlichkeiten der „westlichen Entwicklung“ hatte Professor Lam selbst gar nichts einzuwenden. Nach dem Interview verließen wir gemeinsam sein Büro, und er nahm mich in seinem Auto noch ein Stück mit zu einer Kreuzung, an der ich leichter ein Taxi bekommen konnte. Professor Lam fuhr einen Mercedes. Nicht das neueste Modell. Aber er fuhr einen Mercedes.

Der westlichste Punkt (Dakar-Innenstadt – Pointe des Almadies)
    Zum westlichsten Punkt war es nicht weit. Dakar liegt auf einer Halbinsel, und ich musste nur aus der Innenstadt, an deren südlichem Ende, zur Spitze der Almadies genannten Landzunge, ganz im Westen, fahren. Dort ragt der Kontinent am weitesten in den Atlantischen Ozean hinaus.
    Zuerst fuhr ich in einem Minibus durch die Satellitenviertel der Stadt, wie es sie fast in Deutschland auch hätte geben können. Block an Block reihten sich sieben- und achtstöckige Häuser, wie sie in Massen in den sechziger Jahren auch bei uns gebaut wurden; dann auf die schmale Landzunge der Almadies, die für das betuchte Publikum Dakars reserviert ist.
    Auf sie führte nur eine Straße, gesäumt von Villen mit wuchtigen Balkonen, Erkern und Betonrüschen, einem Nobelhotel und dem Gelände des UNO-Entwicklungsprogrammes (UNDP). Auf dem Golfplatz des Nobelhotels spielten gerade weißhaarige Damen in zu kurzen Hosen und rotbefrackten Caddies im Schlepptau ihre nachmittägliche Partie Golf.
    An der Spitze selbst wehte ein starker Wind. Bei schönem Wetter ist sie ein beliebtes Ausflugsziel vor allem für die Expatriates von Dakar. Am schmalen Sandstrand tummelten sich zwei weiße Familien mit ihren planschenden Kindern. Davor war ein Markt für afrikanisches Kunsthandwerk, ein Bootsverleih und Tische und Bänke im Freien, an denen man gegrillte Krabben, Fischspieße und Salat essen oder einfach nur Limonade trinken konnte.
    Fast parallel zur Straße – also ziemlich genau in westlicher Richtung - ragte ein Landungssteg ins Meer hinaus: der lange ersehnte westlichste Punkt!
    Er war auf großen, ins flache Wasser versenkten und durch Beton verbundenen Steinbrocken gebaut, hatte einen adrett geschwungenen Sandweg, wie den eines Schrebergartens und am Ende eine neu aussehende Laterne, so dass Boote dort auch in der Nacht landen konnten.
    Gerade jedoch, als ich hinauslaufen und mir ein bisschen den Wind um die Nase blasen lassen wollte, hielt mich jemand an. „Entschuldigung, Monsieur“, hörte ich ihn sagen. „Der Steg ist privat. Es tut mir leid.“
    Als ich den Kopf hob, sah ich, der Mann hat eine grüne Uniform an. Er stand neben einem Häuschen und einer Schranke. Er war ein Wachmann.
    Na klar! Er gehörte zu der Ferienanlage, über die ich in meinem Reiseführer gelesen, die ich bis dahin allerdings noch nicht gesehen hatte. Er machte mich darauf aufmerksam, dass der Steg nicht für die Öffentlichkeit zugänglich war. Nur für die Gäste des Club Med.
    Natürlich hätte ich den Vordereingang benutzen und dem Manager meinen Presseausweis zeigen können.
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