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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Aussehens meine Umwelt so veränderte, schockierte mich.
    Meine helle Haut erschien mir immer wie eine ideale Maske, wie man sie sich perfekter nicht vorstellen kann. Sie passte mir so gut, dass die anderen nur sie sehen konnten, nicht aber was darunter lag, ja, dass sie für sie überhaupt keine Maske war, sondern Realität.
    Ursprünglich war ich nach Afrika gegangen, weil ich mich für den Kontinent interessierte, und wahrscheinlich auch ein bisschen, weil ich genug hatte von meinem eigenen. Wie der junge Arthur Rimbaud war ich froh, woanders hinzugehen, wo es bestimmt nicht so war wie hier.
    Und wie er erwartete ich keine Probleme. Denn ich war kein Rassist. Ich war unvoreingenommen. Ich war ein moderner, aufgeklärter Reisender. Ja, für mich gab es nichts Phantasieloseres und Abstoßenderes als Rassist zu sein, jemand der es nötig hatte, seine eigenen offensichtlichen Defizite durch Hass auf andere zu kompensieren.
    Außerdem war ich auch offen für ein anderes Leben. Zumindest dachte ich das damals. Aber nach einer Weile musste ich mir eingestehen, dass ich so offen nicht war, so offen nicht sein konnte.
    Kann jemand, der sich in einem langwierigen Entwicklungsprozess zum Erwachsenen – wenn alles gut läuft – gute Manieren angewöhnt und Geisterglaube und blinden Respekt vor dem Alter abgeschüttelt hat, sich in einem fremden Land auf einmal davon trennen wie von einem überflüssigen Gepäckstück?
    Vielmehr musste ich mir nach einer Weile in Afrika eingestehen, dass ich mir etwas vorgemacht hatte. Denn erstaunlich schnell war ich so geworden wie die anderen Weißen um mich herum auch. Wenn ich in Nairobi Khat gekaut habe, in ein schmutziges Kino oder eine schummrige Bar gegangen bin, war das für einen Weißen ungewöhnlich, aber im Endeffekt nichts anderes als ein gelegentlicher Ausflug in eine fremde Welt, die nicht die meine war, nicht die meine sein konnte.
    Im Grunde lebte ich wie die anderen Weißen auch, geschützt und abgeschirmt vor den Durchwurstlern in einem teuren und sicheren Viertel, mit Wachleuten vor dem Tor und einem schwarzen Diener, der meine Hausarbeit machte.
    Sicher war die Trennung von Schwarz und Weiß in Nairobi extrem. Das kenianische Hochland war eines der Herzstücke des britischen Kolonialreiches in Afrika. Hier lebten viele weiße Siedler und tun das teilweise noch. Hier hat das koloniale Arrangement von weißen Herren und willigen schwarzen Dienern überlebt - wenn auch ein bisschen modifiziert.
    In Westafrika ist diese nach-koloniale Kontinuität nicht so stark ausgeprägt. Aber das Prinzip bleibt. Das war eine Tatsache, die ich drehen und wenden konnte, wie ich wollte. Aber die Augen davor verschließen konnte ich nun nicht mehr. Ich war da angekommen, wo ich nie hingewollt hatte. Und mir war völlig klar, dass es von Anfang an so hatte kommen müssen, und dass ich naiv war, wenn ich geglaubt hatte, dass ich es vermeiden könnte. Ich war weiß! Und daran ließ sich nichts ändern.
    Dann, als ich nach fast vier Jahren wieder zurück nach Deutschland kam, erwartete mich auf einmal der nächste Schock. Ich kam in ein Land, das mir fremd war, das ich nicht mehr kannte. Ich bin sicher, dass es sich nicht übermäßig verändert hat, während ich weg war. Nein, etwas anderes war passiert. Es war mein Bild, meine Vorstellung, die ich mir davon gemacht habe, die sich verändert hat.
    Wenn ich in Afrika über nicht funktionierende Telefone geflucht habe und öffentliche Verkehrsmittel, die ohne jeglichen Fahrplan fuhren, dann habe ich mich immer nach Deutschland gesehnt, nach Klarheit und Ordnung und Struktur.
    Aber als ich nun zurückkam, merkte ich, dass Deutschland so effizient und so zuverlässig nicht war – zumindest nicht so effizient, wie ich es in Erinnerung hatte. So war es nur in meiner Idealisierung geworden - durch die Differenz.
    Und da waren mehr unangenehme Überraschungen. Wo ich noch vor sieben Flugstunden Straßen voller spielender Kinder, Händler und Durchwurstler, ein Gewirr und Gewimmel von Mensch und Haustier hinter mir gelassen hatte, fand ich jetzt auf einmal geteerte, aber nahezu menschenleere Boulevards vor.
    Wenn ich vormittags in meiner Kleinstadt in Süddeutschland durch ein Wohnviertel fuhr, waren die einzigen Leute, die sich zeigten, verkniffen dreinblickende Rentner, die vorsichtig, wie Eichmann vor der Festnahme, ihren Müll in die Mülltonne im Vorgarten brachten.
    Und wenn ich auf der Straße an diesen erstaunlich agilen Zombies – so sah
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