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Afrika Quer (German Edition)

Afrika Quer (German Edition)

Titel: Afrika Quer (German Edition)
Autoren: Peter Boehm
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Ich bin sicher, nach meiner 5 ½-monatigen Reise hätte er Verständnis für mein Anliegen gehabt.
    Aber noch im selben Moment wusste ich: Ich durfte nicht gehen. So war es viel besser. Wo der östlichste Punkt des Kontinents war, wusste niemand so genau. Möglicherweise am Kap Hafun, möglicherweise auch nicht. Genaues erfuhr man nur anhand von Satellitenbildern.
    Der westlichste Punkt dagegen war von einer schicken französischen Ferienkolonie besetzt und durfte nur betreten werden von erholungshungrigen Familienvätern und ihrer verwöhnten Brut.
    Dazwischen dagegen gab es eine Menge Sand, viele, viele Tränen und die Gewissheit, dass es die Aufklärung und ihre Folgen dort noch verdammt schwer haben werden.

DIE ANKUNFT

Seltsame Expatriates III – Peters Abfahrt
    Vielleicht haben Sie sich gewundert, dass ich in dem gesamten Buch konsequent von mir selbst als von einem Weißen gesprochen habe. Also, ich hätte mich darüber gewundert, bevor ich nach Afrika gezogen bin - das können Sie glauben!
    Mir war nicht klar, dass ich weiß bin, oder besser gesagt, mir war es nicht bewusst.
    Hätte mich vorher jemand gefragt: „Welche Hautfarbe hast du?“ Dann hätte ich schon gesagt: Na, weiß, oder?
    Aber niemand hat mich gefragt. Weil die Frage nicht von Bedeutung war, ja, weil sie keinen Sinn machte. Wie auch? Alle waren wie ich: weiß.
    Aber das war in Afrika auf einmal anders. Ich war weiß, aber die anderen nicht. Und ich blieb weiß, egal, was ich auch tat.
    Das war der große Schock, der auf mich wartete, als ich nach Afrika zog. Aber es war kein Schock, der einen überfällt wie eine Hiobsbotschaft am Telefon, sondern ein allmählicher, der langsam ins Bewusstsein sickert, wie Himbeersoße in warmen Griesbrei, und der deshalb umso nachhaltiger wirkt.
    Ich war weiß!
    Um das zu verstehen, habe ich eine Weile gebraucht, aber nachdem ich soweit war, sah ich es überall.
    So als trug ich meinen eigenen Nebelwerfer am Gürtel, verbreitete ich überall sofort, wo ich auftauchte, ein geheimnisvolles Fluidum, das jeder sah, nur ich nicht. Damit waren alle Zweifel ausgeschlossen, jeder wusste Bescheid: Ich war weiß! Ich gehörte nicht dazu. Ich war ein Fremder.
    Auch wenn die Erwartungen in Afrika, wie einer Weißer ist, fast immer positiv sind, musste ich damit erst einmal fertig werden. Ich war kein Individuum mehr, sondern gehörte zu einer Gruppe, den Weißen, und das für jeden, immer wieder von neuem, bei jeder Begegnung.
    Die afrikanischen Kinder tanzten und liefen mir freudig um die Beine, wenn sie mich sahen. Oft riefen sie das Wort für Weißer in ihrer Sprache – Chawatscha in Arabisch, Bature in Hausa, usw. Oft genug war es das erste Wort, das ich lernte, in der neuen Sprache.
    Die Taxifahrer, Kofferträger, Touristenführer, Kleinkriminellen und alle anderen, die in den Straßen arbeiteten, wollten ein Geschäft an mir machen. Denn ich war weiß!
    Die Armen und Bedürftigen wollten Hilfe – sind nicht die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen weiß? - und die Händler den doppelten Preis. Aber auch sie hatten einen guten Grund: Ich war weiß!
    Jeder hatte irgendwelche Erwartungen an mich, wurde, als er mich sah, fast automatisch von Begehrlichkeiten geplagt, wurde an seine kranken Kinder zuhause erinnert oder den lebenslangen Wunschtraum, ein Auto zu besitzen.
    Man sieht Leute mit anderen Augen, wenn sie einem auf einmal, wie einer meiner kenianischen Bekannten, ohne Ironie und Vorwarnung vom Beifahrersitz aus fragen: „Aber wenn du zurückgehst nach Deutschland, lässt du mir doch dein Auto hier?“
    Selbst, wenn ich diese Erwartungen nicht erfüllte, blieben sie trotzdem bestehen. So als ob mir im Augenblick nur noch das notwendige Verständnis fehlte und ich es nach einer Weile, ganz normal, wie andere auch, entwickeln werde.
    Für die Taxifahrer vor dem Appartementblock, in dem ich wohnte, blieb ich zeitlebens ein Rätsel. Dass ein Weißer zu einem Kiosk lief oder den Bus nahm in die Stadt, anstatt das Auto, überforderte ihr Fassungsvermögen.
    Obwohl sie mich inzwischen wirklich kennen mussten, blaffte mich trotzdem jeden Tag einer von ihnen an - „Taxi, Mister?“ –, auch wenn ich fast nie eines nahm. Dass sie mich immer wieder fragten wie einen Touristen, den man straflos ausnehmen kann, mich also nicht als einen Bewohner ihrer Stadt akzeptieren wollten, verletzte mich.
    Das war eine sehr aufschlussreiche Lektion für mich über die Bedeutung der Hautfarbe. Dass sich allein wegen meines
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