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Ärger mit dem Borstenvieh

Ärger mit dem Borstenvieh

Titel: Ärger mit dem Borstenvieh
Autoren: Holgate John
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dem verbissenen Handeln um günstige Preise, die nicht jedem genehm waren, gleichermaßen besänftigen und ihnen wohl tun.
    Als wir an diesem Abend nach Hause gingen, konnten wir es kaum glauben, daß es erst vor etwas über einem Jahr gewesen sein sollte, daß wir hier angekommen waren: Ein dicklicher Mann mittleren Alters aus der Großstadt war mit seiner Frau und der restlichen Familie in zwei Autos ratternd und knatternd diesen Weg entlang gerollt; sie hatten sich entschlossen, die Bequemlichkeiten Londons gegen die noch unbekannten Mühen, Leiden und auch Freuden des Bauernlebens einzutauschen. Was war seitdem nicht alles passiert!
    Die Erde knirschte unter meinen Schritten. Auch an jenem ersten Tag damals hatte es Frost gegeben. Shirley war mit den beiden jüngsten, Vicky und Nicholas Paul, in dem Familienauto, einem Austin 1800, gefahren. Vicky, die nun fast Zehnjährige, trug noch immer ihre kleinen Zöpfchen und hatte gesunde rote Wangen; Nicholas Paul war vier Jahre jünger, blond, kräftig und litt unter ständigem Hunger. Unser jetzt fast siebzehnjähriger Sohn John, der später Landwirt werden wollte, und ich waren mit Old Lil gefahren, einem heruntergekommenen Diesel-Kleinlaster, den ich von einem Händler im Londoner Stadtteil von Lewisham erstanden hatte.
    Old Jonathon war der Wahrheit verdammt nahe gekommen. Wenn jemand von uns damals geahnt hätte, was auf uns wartete, wären wir vielleicht auf der Stelle umgekehrt und davongerannt. In dem Augenblick allerdings, als unsere kleine Truppe an dem Tag in Egerton ankam, gab es keine andere Wahl. Durch den Kauf der Farm waren unsere Taschen leer, und wir konnten nicht mehr zurück. Unser Problem lag darin, so schnell wie nur irgend möglich zu lernen, wie wir überleben konnten. Das war uns gelungen — wenn auch nur knapp. Man sagt, daß sich die Vorsehung der Toren annimmt. Das mag sehr wohl stimmen, aber wir verdankten auch eine Menge den Freunden, die wir dort gefunden hatten, und zwar besonders denjenigen Männern, von denen ich gerade gekommen war.
    Die Nacht war kalt und ruhig. Zu meiner Rechten schimmerte das Mondlicht über die sanften Hügel, unter denen ein altes sächsisches Dorf vergraben lag. Weit entfernt, in der anderen Richtung, jenseits des Bergsattels, zeigte der Himmel grelle Farben — weiß und gelb — durch die Lichter etwa eines halben Dutzend Städte der Midlandsregion.
    Frost lag auf dem Gras der Weiden, auf den Hecken und Bäumen. Der Teich war leicht vereist, so daß es aussah, als hätte man ein zartes Tuch aus gefrorener Spitze über das Wasser gebreitet. In den Stallungen und Gehegen herrschte absolute Stille — unsere Tiere schliefen.
    Shirley erwartete mich neben dem Kamin sitzend in unserem Wohnzimmer. Sie war eine kleine hübsche Frau in ihrem Morgenrock und den Hausschuhen aus Lammfell. Ihr kastanienbraunes, frisch gewaschenes Haar hatte sie unter einem Handtuchturban versteckt. Es war bewunderungswert, wie sie die hundertfachen Pflichten im Haushalt bewältigte, das Essen herbeischaffte und zubereitete für eine heißhungrige, extrovertierte Familie. Außerdem machte sie noch so ziemlich alles ein oder legte es in die Tiefkühltruhe, was auf den Feldern und im Garten wuchs, weiter zog sie Kälbchen, Ferkel und Lämmer groß — und sah trotz allem so entspannt und frisch aus wie sauber gewaschenes Leinen.
    »Hast du Howard getroffen?« fragte sie, denn ich war nicht nur zum Vergnügen in der >Schmiede< gewesen. »Wie geht es allen?«
    »Old Jonathon hatte die Grippe gehabt. Er schien ein wenig niedergeschlagen.«
    Sie schlenderte in die Küche, um uns Kaffee zu kochen. »Der arme kleine Mann! Er hat niemanden, der sich um ihn kümmert. Schuld daran ist dieses furchtbare Wetter. Ich bin sicher, daß, wenn wir die Sonne sehen könnten, alles viel besser wäre.«
    In Shirleys Augen war die Hölle ein eiskalter Ort.

Morgenstund hat Gold im Mund

    A m nächsten Morgen holte mich mein Feind, der Wecker, aus tiefstem Schlaf und zwang mich, um fünf Uhr morgens ein kuscheliges warmes Bett aufzugeben. Jeder Tag begann mit dem gleichen Kampf, und an jedem Tag war ich der Verlierer. Die Kühe mußten gemolken werden. Außer mir gab es niemanden, der das tun würde. Ich setzte mich auf die Bettkante und begann mich auszuziehen.
    Wir lebten in einem sehr alten Haus. Teile davon waren vierhundert Jahre alt, und davor hatten hier sicherlich bereits andere Gemäuer gestanden. Es besaß eine freundliche Ausstrahlung, so als ob es
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