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Ärger mit dem Borstenvieh

Ärger mit dem Borstenvieh

Titel: Ärger mit dem Borstenvieh
Autoren: Holgate John
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Versehen auf sie trat. Eingeklemmt unter dem breiten Huf schrie das Kätzchen jämmerlich. Doch die Kuh merkte nichts. Erst nachdem wir ihr mit der Bettelschüssel kräftig gegen das Bein geklopft hatten, konnten wir sie dazu bringen, den Fuß zu heben. Wie aus der Pistole geschossen raste Miß Tinkerbell blitzartig aus dem Melkstall. Glücklicherweise war der angerichtete Schaden nur vorübergehend; sie wartete am nächsten Morgen wieder auf der Gartenmauer und bewies ihren Mut, indem sie sich wieder für ihren Dienst bereithielt.
    Als Dank für die Nebeneinkünfte und Privilegien, die Miß Tinkerbell ihre besondere Stellung einbrachte, hielt sie Kuh- und Melkstall frei von Mäusen, die durch das schmackhafte Zusatzfutter — ein körniges Konzentrat — angelockt wurden. Sie erledigte ihre Arbeit äußerst gewissenhaft. Fast jeden Morgen, während ich die Melkmaschine bereitmachte, ging sie die Mauern ab und kontrollierte mit ihrer Pfote jeden Ritz und jede Spalte, in der sich eine ränke- j schmiedende Maus zu verstecken versuchen könnte. Es war beachtlich, wie oft sie ein armes unglückliches Nagetier daraus zum Vorschein brachte. Es wurde gnadenlos getötet, aber erst nach Beendigung des Melkens verzehrt. Wenn ich dann mit dem Abwaschen und Aufräumen beschäftigt war, trug sie das Opfer zu einem verschwiegenen Freßplatz.
    Ich hatte oft das Gefühl, daß irgendwie die Sache mit unseren Kühen schiefgelaufen war. Unsere Nachbarn brauchten bloß in die Richtung ihrer Tiere zu blicken, und schon beeilten sich diese vierbeinigen Milchbars, den unausgesprochenen Wünschen ihres Herrn und Meisters zu entsprechen. Bei unseren sah das ganz anders aus!
    Wenn ich in unserem Stall auftauchte und so bedrohlich f wie nur irgend möglich brüllte: »Heh! Hoch!«, dann war so gut wie keine Reaktion bei ihnen zu entdecken. Ich hielt diesen Befehl für angemessen.
    Wir besaßen sechzehn schwarzweiße Friesenkühe. Es schien uns damals vorteilhaft, Kühe anzuschaffen, die erfahren und tolerant genug waren, um nachsichtig zu sein mit unserem ungeschickten Gefummel und unseren Tölpeleien. Das Ergebnis davon war, daß wir jetzt mit diesem ältlichen, lebensmüden Haufen fertig werden mußten.
    Es gab nichts, durch das sie von uns überrascht oder beeindruckt worden wären. Sie lagen da auf ihren verschiedenen Schlafplätzen, von denen die wärmsten durch die dominierendsten Tiere beansprucht wurden, käuten ohne Unterbrechung wieder und bequemten sich noch nicht einmal dazu aufzublicken. Eine oder zwei ließen sich dazu herab, mit gelangweilter Miene in meine Richtung den Kopf zu drehen. Auf ihren langen, schlanken Gesichtern konnte man lesen: »Was will der denn bloß hier?« Doch die meisten nahmen überhaupt keine Notiz von mir; vielleicht hofften sie, daß ich woanders hingehen würde.
    Es blieb mir also nichts anderes übrig, als rumzugehen und hier und dort gegen einen Kuhhintern zu treten. Doch dabei mußte man vorsichtig sein, denn es waren mir Geschichten zu Ohren gekommen, in denen sich wütende Bauern dabei die Zehen gebrochen hatten.
    Meistens warteten sie nur so lange, bis ich tatsächlich einen Stiefel hob. Dann standen sie langsam auf, streckten sich, rollten den Schwanz auf den Rücken, leerten platschend den Darm und torkelten los. Jede einzelne von ihnen wußte haargenau, was getan werden mußte, aber jeden Morgen veranstalteten sie das gleiche Theater.
    Sobald sich die ersten in Bewegung gesetzt hatten, folgten ihnen die übrigen und fügten sich, einen neuen Tag zu beginnen. Als letzte kam immer eine große weiße Kuh heraus. Whitey, die zu der Rasse der Blauen Friesen gehörte. Sie gab erstaunliche Mengen Milch, hatte aber Schwierigkeiten mit ihren Hüften; vielleicht litt sie unter Arthritis wie ich. Morgens machte es ihr immer Schwierigkeiten, die Nachtsteife zu überwinden und ihre Glieder in Schwung zu bringen. Ich half ihr dabei, indem ich ihr den Rücken massierte.
    Eine nach der anderen legte eiligst die etwa zwanzig Meter zurück, die ohne Überdachung waren, um schnell in den schützenden Hof für den Zusammentrieb zu gelangen. Der Gedanke war schon ziemlich ernüchternd zu wissen, daß unsere wirtschaftliche Überlebenschance in erster Linie von ihnen abhing. Zu dieser Jahres- und Tageszeit waren sie jedenfalls kein besonders beeindruckender Anblick oder Trost. Ihre Bettmanieren waren nicht gerade lobenswert, denn sie suchten sich ihre Schlafplätze nicht sehr sorgfältig aus. An ihren Fellen hingen
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