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Ärger mit dem Borstenvieh

Ärger mit dem Borstenvieh

Titel: Ärger mit dem Borstenvieh
Autoren: Holgate John
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ein etwas schiefes, wohlwollendes Lächeln aufgesetzt hätte. Viele Generationen von Männern waren vor mir völlig verschlafen die enge Treppe hinuntergestolpert, um in aller Frühe mit der Arbeit zu beginnen.
    Als ich durch die Tür in den erwachenden Tag hinaustrat, hatte der Frost das Land verzaubert: üppiges Gras und die hohen verdorrten Stiele von Unkraut oder Fingerhut waren in wunderschöne weiße Traumgebilde verwandelt worden. Das Meisterstück war der hohe Eschenbaum im Garten.
    Wie immer, wartete meine Freundin — Miß Tinkerbell, die Katze — auf der Gartenmauer auf mich. Während ich die Gartenpforte öffnete, kletterte sie auf meine Schulter, begrüßte mich mit einem liebevollen Nasenstüber und kuschelte sich in die Kapuze meines alten Dufflecoats, so daß sie mir wie ein warmer lebender Schal um den Hals lag. Auf die Art gingen wir gemeinsam hinüber zum Melkstall.
    Eigentlich gehört die Katze meiner Tochter. Eines schönen Nachmittags hatte sie sie von einem Besuch bei einer Schulfreundin mit nach Hause gebracht. Damals war sie nicht viel mehr als ein kleines Knäuel Fell gewesen mit rosa Mäulchen und einem zarten Miauen. Nach dem Werfen der Kleinen war die Mutter gestorben; doch obgleich das Kind zusammen mit seiner Mutter versucht hatten, alle Kätzchen großzuziehen, hatte lediglich Miß Tinkerbell überlebt. Das Verwöhnen und Verhätscheln hatte bei ihr ein starkes Selbstbewußtsein entwickelt, das an Arroganz grenzte.
    Seit ihrer Ankunft auf Egerton lag ihr alles zu Füßen. So wie manches dekorative weibliche Wesen, war sie — teilweise zu Recht — der Meinung, daß jedes Geschöpf, egal ob Mensch oder Tier, das Privileg hätte, ihr Sklave sein zu dürfen.
    Es war anfangs vorgesehen gewesen, aus ihr eine Katze fürs Haus zu machen. In der Tat war sie ein auffallend schönes Tier mit dreifarbigem Fell und grüngelben Augen, was wunderbar zu unserem besten Teppich aus London gepaßt hätte. Shirley fand diese Idee sehr gut, aber ihre Rolle als Hauskatze entsprach gar nicht Miß Tinkerbells Vorstellungen. Oh, nein! Vier Tage lang hielt sie es drinnen aus. Am fünften ging sie hinaus, übersah geflissentlich die wütenden Bedrohungen seitens des angebundenen Hirtenhundes und begab sich mit erhobenem Schwanz auf eine Besichtigungstour der übrigen Gebäude.
    Barney the Bastard Barncat, ein großer schwarzweißer kastrierter Kater, kam aus seiner Scheune und stellte sich ihr vor, um von ihr mit solcher Mißachtung behandelt zu werden, daß er sich nur noch kriechend gebärdete. Er schlich hinter dem Neuankömmling her, protestierte miauend mit seiner rissigen Stimme und wurde doch ganz und gar von ihr ignoriert.
    Nach Beendigung ihrer Inspektion beschloß Miß Tinkerbell, daß dies ihr Reich werden würde. Nichts mehr von dem alternen Getue wie >ach-was-für-eine-hübsche-Katze-auf-dem-Teppich<. Obgleich sie später wiederholt ins Haus getragen wurde, blieb sie selten länger als ein bis zwei Stunden drinnen. Sie entdeckte vielmehr eine warme Ecke im Lagerraum und bezog dort Wohnung.
    Wir hatten eine Freistelle für eine Katze im Melkstall. Unsere Muschi aus London, Fanny Fatcat, war an einer Vergiftung gestorben, die sie sich wahrscheinlich von den Ratten geholt hatte, kurz bevor das Kätzchen bei uns ankam. Barney war für diese Stelle zu nervös und brachte zuviel Unruhe unter die Kühe. Die Position war wie maßgeschneidert für Miß Tinkerbell. Sie fühlte sich sehr wohl bei den Kühen, störte sie in keiner Weise und hatte nie etwas dagegen, wenn sie versuchten, ihr Fell zu kosen.
    Sie entwickelte eine bestimmte Routine und hielt sich fest daran. Es begann mit unserem morgendlichen Treffen. Sobald wir im Melkstall waren, ließ sie mich in Ruhe meine Arbeit verrichten und kauerte sich neben eine verbeulte alte Aluminiumschüssel, welche wir die >Bettelschüssel< nannten. Ihr Posten wurde großzügig entlohnt. Bevor die Saugnäpfe angelegt wurden, wurden die Zitzen untersucht durch das Melken einiger Tropfen in eine Tasse. Anschließend wurde der Inhalt der Tasse in die Schüssel entleert. John, der mir abends und während der Ferien half, und ich setzten immer einen Punkt ans Ende einer Melkzeit, indem wir ihr noch ein kleines Trankopfer eingossen. In sehr kurzer Zeit entwickelte sie sich zu einer geschmeidigen, rundlichen Katze.
    Doch ganz ohne Aufregung und Zwischenfälle verlief ihr Leben auch nicht. Da passierte einmal das Fürchterliche, daß eine Kuh, Lizzie-Dreipunkt, aus
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