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Adrianas Nacht

Adrianas Nacht

Titel: Adrianas Nacht
Autoren: Leon von Winterstein
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Abends, unseres Lebens für eine Bedeutung bekommen sollte. War’s das? Waren wir heimlich ein Paar geworden? Würde Adriana mich wiedersehen wollen?
    So ging ich in Gedanken versunken mit Juliane zur Bar. Sie war Immobilienfachwirtin, offensiv frei, 27, wie sie erzählte, unverheiratet, und sie hatte sich gerade total günstig eine kleine Eigentumswohnung in Berlin Mitte geschossen . Schon zwei Wodka später spürte ich ihre Hand auf meinem Knie. Das war natürlich nicht unangenehm, aber dieser Abend gehörte Adriana, die ich auf der Tanzfläche erspähte. So nahm ich Julianes Hand von meinem Knie und zog mit der schon etwas wackligen, aber dennoch schwer balzenden Immobilienfachwirtin ebenfalls dorthin.
    Ausgerechnet, als wir die Tanzfläche erreichten, spielte der DJ ein besonders schlimmes Stück von Simply Red – ganz offensichtlich für die Älteren unter uns, zu denen ich auch längst zählte. So hatte ich also drei Takte später Julianes Arme wie einen Schal um meinen Hals gewickelt, ihr linkes Bein zwischen meinen Beinen und ihren nach Liebkosung flehenden Mund an meinem Hals. In diesem Moment drehte sich Adriana mit ihrem Tänzer, der allerdings eher einem distanzierten Partyschritt huldigte, zu mir und erschrak. Jetzt hing nach weniger als einer Stunde schon wieder eine Frau an diesem Mann. Ich sah, wie sehr Adriana diese Situation missverstand, wie beschmutzt sie sich plötzlich fühlte, und rief laut (und alle, die es hörten, hielten mich für völlig übergeschnappt): »Jetzt wird abgeklatscht!«
    Verwirrt sahen sich die Gäste in meiner näheren Umgebung an, die weiter entfernten hatten es nicht gehört. Aber immerhin blieb Adrianas Tänzer stehen und ließ die Arme hängen wie ein Roboter, der auf Stand-by geschaltet worden war. So packte ich ihn am Jackett, zog ihn zu Juliane, sagte: »Darf ich vorstellen, Juliane«, und eilte zu Adriana, die mich amüsiert musterte. Sobald ich sie wieder im Arm hielt, kehrte der Zauber der Nacht zu uns zurück, und unsere Körper knisterten vor elektrisierter Sehnsucht nach einander.
    Ich legte zärtlich meinen Arm um Adrianas schlanken Körper und streichelte unmerklich ihren Rücken. Sie schmiegte sich wohlig an mich. So wurde unser fast bewegungsloser Tanz ein zärtliches Umgarnen, eine lang anhaltende, unsichtbare, intensive Liebkosung unserer Körper in der emotionalen Bewegung der Musik, ein reizendes Zwischenspiel, eine pastellene Erinnerung an unseren Tanz dort im Pavillon. Gegen Ende des Liedes sagte ich Adriana leise ins Ohr: »Das vorhin war das schönste Geschenk, das mir je eine Frau gemacht hat. Ich würde dich unglaublich gern wiedersehen.«
    Adriana drückte sich noch etwas fester an mich und sagte mit ihrem ganzen Körper und einer fast ersterbenden Stimme: »Ja!«
    Wir tanzten noch zwei weitere Stücke miteinander, dann erschien Nicole am Rand der Tanzfläche und machte eine Geste, die bedeutete, dass sie nun gehen wolle. Adriana erschrak, sah mich an und fragte, ob ich einen Stift hätte. Auch ich war erschrocken über dieses jähe Ende. Ich zog einen Kugelschreiber aus der Tasche, den ich Adriana gab. Während sie versuchte, mit dem Kugelschreiber ihren Namen, den ich dadurch endlich erfuhr, und ihre Telefonnummer auf dem viel zu glatten Thermopapier einer Supermarktquittung zu notieren, suchte ich nervös in meinen Taschen nach meiner Visitenkarte. Schließlich standen wir voreinander wie zwei verlorene Glücksspieler und tauschten unbeholfen unsere Zettel und Kärtchen aus. Adriana drehte zum Abschied meine Karte in ihrer Hand, sah mich unendlich traurig an und sagte: »Aber bitte, ruf mich niemals unter dieser Nummer an!«
    Dann trat sie einen Schritt auf mich zu, küsste mich vor allen Leuten zärtlich und sehr souverän auf den Mund, sagte ganz leise: »Danke!«
    Sie drehte auf dem Absatz um und verließ an der Seite ihrer resoluten Freundin Nicole das Fest, ohne sich auch nur einmal umgesehen zu haben. Ich blieb allein zurück, und sogleich gesellte sich zum Alleinsein, an das ich gewöhnt war, das Gefühl der Verlassenheit und des Verlustes. Das gefiel mir überhaupt nicht.

3.
    Wenn ich nicht gerade Frauen auf Festen kleine Zettel zustecke, betreibe ich die Hälfte einer gut florierenden Schauspieleragentur, die Büros in Berlin und Hamburg hat. Sie ist nicht groß, nicht so erfolgreich, dass sie weithin bekannt wäre, aber mein Kompagnon, unsere inzwischen zwei Sekretärinnen, unser Jahrespraktikant, unsere Buchhalterin und ich leben
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