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Admiral Bolithos Erbe

Admiral Bolithos Erbe

Titel: Admiral Bolithos Erbe
Autoren: Alexander Kent
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diesen Jungen danach zu fragen; der fürchtete sich ja vor seinem eigenen Schatten.
    Herrick blickte zu seinem breitschultrigen Bootsmann auf, der die Gig gerade unter einem weiteren hochragenden Bugspriet hindurchsteuerte, beobachtet von den glühenden Augen der Galionsfigur.
    Doch dieser bibbernde Junge in Leutnantsuniform hatte ihn an der Pier erwartet, hatte ehrerbietig seinen Hut gezogen und atemlos in einem einzigen Satz hervorgesprudelt: »Empfehlung des Ersten Offiziers, Sir, und der Admiral ist an Bord.«
    Zum Glück stand also wenigstens der Erste Offizier zu seinem Empfang bereit, dachte Herrick grimmig. Aber weshalb war Konteradmiral Richard Bolitho, ein Marineoffizier, unter dem er in allen Winkeln der Welt gekämpft hatte, den er verehrte wie keinen zweiten, wieso war Bolitho ausgerechnet jetzt auf der
Benbo
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?
    Immer noch standen die letzten schrecklichen Augenblick bei Kopenhagen vor Herricks Augen: Bolitho mitten im rauchdurchzogenen Schlachtgetöse, unter fallenden Spieren und ohrenzerreißendem Geschützfeuer. Wild trieb er seine Leute an, führte sie mit der rücksichtslosen Entschlossenheit, wie nur er sie über sich brachte. Allein Herrick, sein engster Freund, wußte, was diese Entschlossenheit Bolitho kostete. Erkannte die Zweifel und Ängste, die Erregung über eine Herausforderung, die Verzweiflung über unnütz vergeudete Menschenleben.
    Gerade für Bolitho hätte der Landurlaub ganz anders aussehen sollen. Diesmal erwartete ihn eine Frau, eine schöne junge Frau, die ihn entschädigen konnte für den tragischen Verlust, den er vor nicht sehr langer Zeit erlitten hatte. Bolitho war kurz nach London zur Admiralität gereist und hatte dann wieder nach Cornwall zurückkehren wollen, in das große alte Haus in Falmouth.
    Die Gig näherte sich ihrem Ziel, dem Linienschiff
Benbow
,
dessen Anblick Herrick immer noch den Atem verschlug. Mit ihrer schwarzen, hellbraun abgesetzten Bordwand, die im Sonnenlicht glänzte, schien sie ihn ganz persönlich willkommen zu heißen. Nur ein Berufsseemann, und ganz besonders natürlich ihr Kommandant, konnte erkennen, worüber neue Farbe und Pech, frisch geteertes Rigg und sauber aufgetuchte Segel die anderen hinwegtäuschten. Jetzt drängten sich Leichter und Flöße rund um den fülligen Rumpf der
Benbow
,
die Luft vibrierte vom Lärm der Hämmer und Sägen, und noch während Herrick hinsah, wurde wieder ein großes Bündel mit neuen Leinen zur Besanmaststenge hochgehievt; die alte Stenge war ihnen im Gefecht weggeschossen worden. Aber die
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war ein relativ neues Schiff und so stark wie zwei ältere Schiffe ihrer Klasse. Zwar hatte sie schwer gelitten, aber nun war sie ja aus dem Dock heraus und würde binnen weniger Monate wieder mit dem Geschwader in See stechen können. Seine gewohnte Vorsicht vergessend, spürte Herrick Stolz und Genugtuung über das, was sie geleistet hatten. Typischerweise machte er sich nicht klar, daß der Erfolg zum größten Teil ihm selbst zu verdanken war, seiner ansteckenden Begeisterung und seinem unermüdlichen Streben, die
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wieder seeklar zu machen.
    Sein Blick blieb am Besanmast hängen und an der Flagge, die nur ab und zu an seinem Mastknopf auswehte. Es war die Flagge eines Konteradmirals der Roten Territorien, aber Herrick bedeutete er sehr viel mehr. Wenigstens hatte er seine junge Frau Dulcie diesmal daran teilhaben lassen können. Obwohl er erst seit kurzem verheiratet war, hatte Herrick sich wie ein gestandener Ehemann gefühlt, als er seine Schwester am Altar dem baumlangen Leutnant zur See George Gilchrist zugeführt hatte – vor erst vier Tagen daheim in Maidstone. In der Erinnerung mußte er lächeln, wodurch sein rundliches Gesicht alle Strenge verlor. Er – und ein erfahrener Ratgeber in Ehedingen!
    Der Buggast erhob sich, den Bootshaken einsatzbereit.
    Während Herricks Gedanken abgeirrt waren, war die Bordwand der
Benbo
w
immer höher über ihnen emporgewachsen. Nun, da sie fast längsseit lagen, sah er die ausgebesserten Planken, die Farbflecken, die das aus den Speigatten geflossene Blut verdeckten. Es war gewesen, als verblute das Schiff selbst, nicht nur die Besatzung.
    Die Riemen wurden gepickt, und Tuck, der Bootsmann, zog den Hut. Als ihre Blicke sich trafen, lächelte Herrick kurz. »Danke, Tuck. Gut gemacht.«
    Sie verstanden einander ohne viele Worte.
    Herrick blickte zur Schanzkleidpforte auf und wappnete sich – wie ihm schien, zum tausendstenmal. Er erinnerte sich an die Zeit,
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