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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Autoren: Simone Knodel
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Schon öfter hatte das Mädchen mit Flüchen zu tun gehabt, meist waren Leute zur Hütte der Mutter gekommen, um eine vermeintliche Verwünschung wieder los zu werden. Doch diese Formel, das wusste sie auch ohne einzelne Worte zu verstehen, hatte sie noch nie gehört. Der Hass, der die Stimme der Mutter fast bis zur Unkenntlichkeit verzerrte, machte ihr klar, dass es ein Bann sein musste, bei dem sie zum Äußersten ging. Sie fand keine Zeit über die Konsequenz dieser Erkenntnis nachzudenken, denn sie hörte die Männer laut grölen und grob lachen, sie begannen einen rhythmischen Singsang, als würden sie jemanden anfeuern. Dann ein Triumphschrei, lautes Beifallsgejohle, Klirren von Waffen.
    Das Mädchen hielt den Atem an. Einen Moment herrschte körperlich fühlbare, fast schmerzhafte Stille. Der ganze Wald schwieg. Selbst der Wind hatte sich gelegt, als wäre er atemlos ob der Geschehnisse vor der Hütte. Doch bevor sie den nächsten klaren Gedanken fassen konnte, wiederholte sich die martialische Geräuschkulisse. Der anfeuernde Singsang der Männer, das Triumphgeschrei, johlender Beifall. Noch einmal, zweimal, gar dreimal? Das Mädchen zählte nicht mit, denn sie versuchte mit blankem Entsetzen im Herzen auch nur einen einzigen kleinen Laut von ihrer Mutter wahrzunehmen. Doch so sehr sie sich anstrengte, sie hörte nur Männerstimmen, laut, grob, trunken vor Brutalität. Wie zu Stein erstarrt saß sie in ihrem Versteck, die Knie krampfhaft an den Körper gezogen und die Arme mit aller Kraft darum gewunden, als sollte sie nie wieder aufstehen.
    Das Trommeln sich entfernender Pferdehufe war längst verklungen, da erwachte das Mädchen aus seiner Erstarrung. Mühsam trennte sie ihre ineinander gekrampften, schmerzenden Hände und richtete sich auf. Der Wald schwieg noch immer. Keine Vogelstimme, kein Gewisper in den Zweigen des frisch ergrünten Unterholzes, nichts. Sie kämpfte sich aus dem Teufelszwirn hervor und fand ihren Korb, zermalmt von den Hufen schwerer Rosse, der Frauenmantelstängel zerquetscht und unbrauchbar. Mechanisch einen Fuß vor den anderen setzend ging sie in die Richtung, aus der diese furchtbaren Geräusche gekommen waren, die sich für immer in ihre Sinne eingebrannt hatten. Sie dachte nicht darüber nach, was sie wohl dort finden würde. Sie lief einfach gerade aus, kletterte über morsche Baumriesen und stolperte über Wurzeln. Mehr als einmal fiel sie und schlug sich die Knie auf, ohne es zu beachten. Dafür war später noch Zeit.

A delheid war stundenlang durch den Wald geritten und allmählich wurde sie ungeduldig. Nach Alwinas Aussage sollte die Kräuterfrau einfach auftauchen, wenn sie gebraucht würde. Doch nichts dergleichen war geschehen. Zum zweiten Male ritt sie nun im gemächlichen Tempo in Richtung Klippen. Ein letzter Versuch, was sie dann tun konnte, wusste sie nicht. Auf keinen Fall würde sie einfach zur Burg zurück reiten und klein beigeben. Lieber schlug sie sich allein bis Northeim durch. Besser als dieses Scheusal zu heiraten, war es allemal.
    Diabolus scheute und riss sie aus ihren Gedanken. Vor seinen Hufen lag etwas, das ihm Angst machte. Sie beugte sich seitlich an seinem Hals vorbei und tätschelte ihn dabei beruhigend. „Ist schon gut, mein Lieber, das ist nichts von Bedeutung. Sieht aus wie ein kaputter Korb. Nur – wie kommt der hierher?“ Sie sprang ab und betrachtete ihn genauer. Die Weidenzweige, aus denen er ursprünglich sehr sauber geflochten war, waren von großer Kraft zermalmt worden, die zerfransten Fasern wirkten noch frisch. Auch die zerfetzte Pflanze, die an den Wänden des Korbes klebte, war noch nicht vertrocknet, ja nicht einmal welk! Erst jetzt sah Adelheid die Hufabdrücke von schweren Pferden neben ihr auf dem Waldboden. Erschrocken blickte sie sich um und schalt sich in Gedanken wegen ihrer Unvorsichtigkeit. Natürlich waren sie jetzt längst auf der Suche nach ihr. Sie hockte sich nieder und besah sich die Zeichen auf der Erde genauer. Anscheinend waren sie sehr schnell geritten, die Hufe der Rösser hatten große Erdklumpen herausgelöst und weggeschleudert. Diabolus schnaufte und drückte ihr seine weichen Nüstern in den Nacken. Es kam nicht oft vor, dass sie so tief vor ihm über den Boden kroch.
    „Geduld, mein Lieber, ich muss mich konzentrieren. Es waren mindestens drei, vielleicht sogar vier Pferde. Was meinst du?“
    Sie blickte auf und pustete dem Hengst sanft in die Nüstern, eine Geste, die er nicht leiden konnte.
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