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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Autoren: Simone Knodel
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der Flüchtenden unsichtbar machen. Die Zugbrücke war unten belassen worden, denn in friedlichen Zeiten war es unnötig, innerhalb der Burg die Wege zu unterbrechen. Die schwere Tür am Marstall ließ sich nicht geräuschlos öffnen, ein Knarren zerriss die Stille, das von Diabolus‘ freudig erregtem Wiehern übertönt wurde. Er hatte sie an ihren Schritten erkannt und tänzelte aufgeregt über das frische Stroh. Warme Stallluft schlug ihr entgegen, als sie durch den schmalen Spalt zwischen Tür und Rahmen schlüpfte.
    „Schscht“, machte Adelheid eindringlich, „du weckst die ganze Vorburg auf!“ Sie begrüßte den Hengst oberflächlich mit einem kurzen Nasenstüber und warf ihm einen einfachen Sattel über den Rücken. Mit fliegenden Fingern zurrte sie die Lederriemen unter dem Pferdebauch und über der Kruppe fest. Die Unruhe des Hengstes steckte die anderen Tiere an und sie wollte eiligst aus dem Stall kommen, bevor jemand von den Knechten alarmiert wurde, die in der Kammer nebenan schliefen.
    Draußen vor dem Tor zögerte sie, schloss aber trotz des lauten Quietschens wieder sorgfältig ab. Eine offene Stalltür hätte sofort Misstrauen geweckt. Obwohl ihr die Panik im Nacken saß, zwang sie sich, den Hengst langsam über das Gelände der Vorburg zu führen. Sie wollte keinen Verdacht mit einem schnellen Galopp erregen. Es war ungewöhnlich genug, dass sie so früh ausritt. Als sie an den Gesindehäusern vorbeikam, senkte sie den Kopf, als könne sie so gewährleisten, ungesehen zu bleiben. Aus dem Schafstall drangen scheppernde Geräusche, vom Schäfer oder seinen Gehilfen war jedoch nichts zu sehen.
    Das Haupttor zur Vorburg wurde nachts geschlossen und bewacht, deshalb steuerte sie auf das Nadelöhr zu, eine kleine versteckte Nebenpforte, die sie sonst ebenfalls benutzte, wenn sie in den Wald reiten wollte. Auch diese Tür war von innen fest verriegelt, doch vermochte Adelheid die kleinen Schließbalken selbst zu bewegen. Sie musste auf das Pferd klettern, um an den obersten Riegel zu gelangen, dann war es nur noch ein Kinderspiel. Der Durchlass in der Mauer war schmal und niedrig, eigentlich nur für das Gesinde gedacht, und Diabolus passte mit gesenktem Kopf gerade so hindurch. Zum Glück kannte er die enge Pforte und zeigte keine Scheu. Draußen vor der Mauer atmete das Mädchen tief durch, saß auf und ritt den schmalen Pfad am äußeren Graben entlang, bis es zur Brücke vorm Haupttor gelangte und den Schutzgraben überqueren konnte. Dann wandten sich Pferd und Reiterin gen Osten und verschwanden bald darauf im taufeuchten Wald.
    Geschützt vom dichten Gestrüpp des Waldrandes konnte sie dem Hengst freien Lauf lassen und sich ihren Grübeleien hingeben. Sie wusste zwar, wohin sie wollte, aber was sie dort wollte, hatte sie sich noch nicht klar gemacht. Zunächst musste sie die Burg weiträumig umreiten, denn der direkte Weg führte über sehr übersichtliches Gelände und der Morgen graute jetzt recht schnell. Als sie in südlicher Richtung der Feste wieder näher kam, konnte sie deutlich das Horn des Türmers hören, der den neuen Tag verkündete. Und obwohl sie seinen morgendlichen Singsang nicht verstehen konnte, summte sie im Unterbewusstsein mit: „Es taget schon, der Tag, der scheinet in den Saal, wohlauf ihr Ritter überall, wohlauf es ist Tag!“
    Ein unwillkürliches Lächeln stahl sich auf ihre Lippen, als sie sich vorstellte, wie Greif, der alte Wolfshund, sich mühsam erhob, seinen Hals reckte und das Lied des Türmers mit einem langgezogenen Heulen begleitete, was bei Alwina jedesmal zu einem Wutausbruch führte, weil sie den alten Köter nicht mochte.
    Doch das Lächeln gefror ihr, als sie daran dachte, dass Alwina spätestens in diesem Moment ihr Verschwinden bemerken musste. Was würde sie wohl tun? Gleich Alarm schlagen? Oder würde sie ihr einen kleinen Vorsprung lassen?
    „Bitte, bitte Alwina, sei lieb und hab Mitleid mit mir!“, flüsterte sie lautlos vor sich hin. Es blieb ruhig auf dem Burggelände, kein alarmierendes Hornsignal scheuchte die Ritter von ihren Schlafplätzen auf die Pferde. Allmählich beruhigte sich Adelheid, spornte den Hengst aber trotzdem zu größerem Tempo an. Bald hatte sie die heimatlichen Mauern weit hinter sich gelassen.
    Vorsichtig trennten die Mädchenhände den Pflanzenstängel vom Wurzelstock. Das hatte die Mutter ihr stets eingeschärft: „Wenn die Pflanze weiter wachsen soll, nimm sie niemals ganz. Lass etwas von ihr zurück, Wurzeln,
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