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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Autoren: P. D. James
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ruhig, »wozu?«
    »Aber er schafft es doch nie bis runter ans Meer.«
    Plötzlich stand Etienne neben ihr. »Das braucht er auch nicht. Das Moor hat überall Untiefen. Außerdem kann ein Mensch sogar in einem seichten Wasserloch ertrinken, wenn er unbedingt sterben will.«
    Sie standen reglos da und sahen ihm nach. Daniel hielt Frances immer noch mit beiden Armen umschlungen. Plötzlich spürte sie das dumpfe Pochen seines Herzens neben dem eigenen. Die hagere Gestalt draußen im Moor zeichnete sich düster und schwankend vor dem Nachthimmel ab. Dauntsey straffte sich, stürzte, richtete sich aber gleich wieder auf und taumelte verbissen weiter. Wieder lichteten sich die Wolken, und sie konnten ihn im Mondschein deutlicher sehen. Er fiel ein ums andere Mal hin, rappelte sich aber immer wieder hoch und stand dann mächtig wie ein Riese mit erhobenen Armen da, als schleudere er einen Fluch oder eine flehende Bitte gen Himmel. Frances wußte, warum er so verbissen kämpfte. Er wollte das offene Meer erreichen, sehnte sich danach, hinauszuwaten in die kalte Unendlichkeit, immer weiter und tiefer, bis er sich schließlich fallen lassen konnte ins letzte, selige Vergessen.
    Jetzt war er wieder gestürzt, und diesmal stand er nicht mehr auf. Frances glaubte das Mondlicht auf dem Priel glitzern zu sehen. Und es kam ihr vor, als ob sein Körper schon fast ganz vom Wasser überspült wäre. Aber in Wahrheit konnte sie ihn gar nicht mehr deutlich erkennen. Da draußen war nur noch ein dunkler, niedriger Buckel, einer von vielen, der sich kaum mehr von all den erhöhten Riedgrasbüscheln im überschwemmten Ödland unterschied. Die drei warteten schweigend, aber draußen im Sumpf rührte sich nichts mehr. Er war eins geworden mit Nacht und Moor. Daniel ließ sie endlich los, und sie ging ein paar Schritte abseits. Der Wind hatte sich gelegt, und es war jetzt vollkommen still. Auf einmal aber hatte sie das Gefühl, sie könne das Meer hören. Jedenfalls drang ein schwaches Säuseln an ihr Ohr, das freilich kaum ein wirklicher Ton war, sondern eher der Pulsschlag der unbewegten Nachtluft.
    Sie wandten sich eben zum Haus zurück, als die nächtliche Stille von einem grellen, metallischen Kreischen zerrissen wurde, das sich rasch zu einem ohrenbetäubenden Knattern verdichtete. Über ihnen blinkten die Positionslichter eines Hubschraubers. Dreimal kreiste der Pilot über dem Wiesengrund neben Othona House, ehe er zur Landung ansetzte. Also haben sie Claudias Leiche gefunden, dachte Frances. James hatte sich wohl Sorgen um sie gemacht und war schließlich nach Innocent House gefahren, um nachzusehen, was mit ihr sei.
    Vom Rand der Freifläche aus und immer noch ein wenig abseits von den anderen beobachtete sie, wie die drei Gestalten gebückt unter den riesigen Rotoren entlangrannten. Dann richteten sie sich auf und kamen durchs windgepeitschte Gras auf sie zu. Commander Dalgliesh, Inspector Miskin und James. Etienne ging ihnen als einziger entgegen. Die vier blieben auf gleicher Höhe stehen und besprachen sich. Gut, dachte sie, soll Etienne es ihnen erzählen. Ich werde warten.
    Dann löste Dalgliesh sich aus der Gruppe und kam auf sie zu. Er berührte sie nicht, neigte sich aber bis auf Augenhöhe zu ihr hinunter und sah sie forschend an.
    »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Jetzt schon, ja.«
    Er lächelte. »Wir werden nachher miteinander reden. De Witt bestand so hartnäckig darauf, mitzukommen, daß es schließlich einfacher war, ihm seinen Willen zu lassen.«
    Damit drehte er sich um und ging hinter Etienne und Kate aufs Haus zu.
    Frances dachte: Endlich bin ich ganz ich selbst. Jetzt kann ich ihm etwas geben, wofür das Warten sich gelohnt hat. Doch sie rannte ihm nicht entgegen, ja sie rief nicht einmal seinen Namen. Langsam, dafür aber mit aller Inbrunst, deren sie fähig war, schritt sie über das windzerzauste Gras direkt in seine wartenden Arme.
    Daniel hatte den Hubschrauber natürlich auch gehört, aber er drehte sich nicht um. Er blieb auf dem schmalen Felsriff stehen und blickte übers Watt hinaus aufs offene Meer. Einsam und geduldig wartete er, bis er die Schritte vernahm und Dalgliesh neben ihn trat.
    »Hatten Sie ihn schon verhaftet?« fragte der Commander.
    »Nein, Sir. Ich bin auch gar nicht hergekommen, um ihn festzunehmen. Ich wollte ihn warnen. Ich habe ihn auch nicht über seine Rechte belehrt. Gesprochen habe ich mit ihm, das schon, aber nicht so, wie Sie mit ihm geredet hätten. Ich habe ihn
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