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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Autoren: P. D. James
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schon mal mit dem Ausflugsdampfer in Greenwich warst, hast du Innocent House bestimmt gesehen – der reinste venezianische Protzpalast. Nobler Laden: Die Angestellten werden mit dem verlagseigenen Motorboot vom Charing Cross Pier abgeholt, aber da du in Stratford wohnst, bringt dir das nicht viel. Dafür liegt die Peverell Press an deinem Themseufer, immerhin etwas. Nimm dir am besten ein Taxi, aber vergiß nicht, dir die Fahrt erstatten zu lassen, bevor du gehst.«
    »Ach, das ist nicht nötig, ich fahr’ mit dem Motorrad.«
    »Wie du willst. Dienstag morgen um zehn sollst du dort sein.« Mrs. Crealey wollte eigentlich noch sagen, daß bei einem Kunden von diesem Prestigewert vielleicht eine eher dezente Kleidung angebracht sei, aber das verkniff sie sich dann doch vorsichtshalber. Soweit es die Arbeit und das Verhalten den Kunden gegenüber betraf, ließ sich Mandy durchaus etwas sagen, aber bei den exzentrischen, ja bisweilen bizarren Modeschöpfungen, mit denen sie ihrem Selbstbewußtsein und ihrem überschäumenden Temperament Ausdruck verlieh, durfte man ihr nicht dreinreden.
    »Wieso erst Dienstag?« fragte sie jetzt. »Arbeiten die denn montags nicht?«
    »Keine Ahnung. Das Mädchen, das hier angerufen hat, sagte jedenfalls Dienstag. Vielleicht hat Miss Etienne vorher keine Zeit. Sie gehört zur Geschäftsleitung und möchte das Einstellungsgespräch gern persönlich führen. Miss Claudia Etienne. Hier, ich hab’ dir alles aufgeschrieben.«
    Mandy fragte: »Wozu das ganze Brimborium? Wieso muß ich mich bei der Chefin persönlich vorstellen?«
    »Miss Etienne ist nicht die Chefin, sondern nur ein Mitglied der Geschäftsleitung. Diese Verlagsfritzen wollen eben nicht einfach eine x-beliebige Tippse. Jedenfalls haben sie meine beste Kraft verlangt, und die sollen sie kriegen. Natürlich könnte es auch sein, daß sie eine feste Anstellung zu vergeben haben und die Betreffende erst mal testen wollen. Du wirst dich doch nicht überreden lassen zu bleiben, oder, Mandy?«
    »Hab’ ich mich schon mal von wem ködern lassen?«
    Mandy bekam ein Glas süßen Sherry in die Hand gedrückt, kuschelte sich in einen Sessel und studierte Mrs. Crealeys Notizen. Daß ein potentieller Arbeitgeber ein Vorstellungsgespräch mit einer Aushilfskraft wünschte, war selbst dann ungewöhnlich, wenn der Kunde, wie in diesem Fall, noch nie mit der Agentur zusammengearbeitet hatte. Das übliche Verfahren war allen Beteiligten wohlvertraut. Ein Chef in Nöten bat Mrs. Crealey telefonisch um eine Teilzeitkraft und flehte sie an, ihm diesmal ein Mädchen zu schicken, das des Lesens und Schreibens kundig sei und wenigstens annähernd so flink in Steno und Maschineschreiben, wie es die Agentur in ihrer Werbung garantierte. Mrs. Crealey versprach Wunder an Pünktlichkeit, Pflichtbewußtsein und Fleiß, schickte dasjenige ihrer Mädchen, das gerade verfügbar war und sich den Job aufschwatzen ließ, und hoffte im übrigen darauf, daß die Erwartungen von Kunde und Arbeitskraft dieses eine Mal übereinstimmen würden. Spätere Reklamationen parierte sie mit der Standardklage: »Ich verstehe das einfach nicht. Andere Chefs haben ihr glänzende Zeugnisse ausgestellt. Sharon wird andauernd verlangt.«
    Der Kunde, der glauben mußte, selbst an dem Fiasko schuld zu sein, legte dann seufzend den Hörer auf und mahnte, ermunterte und litt fortan so lange, bis die beiderseitige Qual zu Ende war und die hauseigene Sekretärin sich bei ihrer Rückkehr aufs schmeichelhafteste hofiert sah. Mrs. Crealey kassierte ihre Provision, die bescheidener war als bei den meisten anderen Agenturen, was vermutlich die Krisenfestigkeit ihres Geschäfts erklärte, und damit war der Fall erledigt, bis die nächste Grippewelle oder die großen Ferien dafür sorgten, daß abermals die Hoffnung über besseres Wissen triumphierte.
    Jetzt sagte Mrs. Crealey: »Den Montag kannst du dir frei nehmen, Mandy, natürlich als bezahlten Urlaubstag. Ach, und stell ein bißchen was zusammen über deinen Werdegang, Ausbildung und so. Schreib drüber ›Curriculum vitae‹, das macht sich gut und schindet Eindruck.«
    Mandys Lebenslauf und Mandy selbst machten – trotz ihres exzentrischen Äußeren – eigentlich immer Eindruck. Und das verdankte sie ihrer Englischlehrerin, Mrs. Chilcroft. Diese Mrs. Chilcroft hatte sich damals vor ihrer Klasse elfjähriger Trotzköpfe aufgebaut und kategorisch erklärt: »Ihr werdet lernen, ein sauberes, korrektes und halbwegs stilgerechtes Englisch
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