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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Autoren: P. D. James
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brauche ich mir darum keine Gedanken mehr zu machen. Mit sechsundsiebzig kann man allem, was kommt, gefaßt ins Auge sehen. Eigentlich war es die Verlobung deines Sohnes, die mich schließlich zum Handeln zwang. Nach seiner Heirat hätte er ein Kind zeugen können. Die Gerechtigkeit aber verlangte, daß nur zwei deiner Nachfahren starben.«
    Etienne fragte unvermittelt: »Hast du etwa darum ’62 den Verleger gewechselt und bist zu Peverell Press gekommen? Hattest du mich damals schon in Verdacht?«
    »Ich war dir auf der Spur, ja. Die einzelnen Fäden meiner Ermittlungen woben sich langsam zu einem Netz zusammen, und es schien mir klug, dich aus der Nähe zu beobachten. Im übrigen erinnere ich mich noch gut, daß wir dir sehr willkommen waren, ich und mein Geld.«
    »Natürlich, Henry Peverell und ich, wir dachten ja damals auch, daß wir mit dir ein großes Talent ins Haus bekämen. Ach, Gabriel, du hättest deine Begabung weiter auf deine Lyrik konzentrieren sollen, statt sie an eine fruchtlose, aus deinem eigenen Schuldkomplex geborene Zwangsvorstellung zu vergeuden. Dabei war es doch wohl kaum deine Schuld, daß deine Familie in Frankreich vom Einmarsch der Deutschen überrascht wurde. Sicher, es war leichtsinnig von dir, sie in so einer Zeit allein zu lassen, mehr aber auch nicht. Du warst nicht bei ihnen, und sie mußten sterben, aus. Warum versuchst du nun, deine Schuld dadurch zu büßen, daß du unschuldigen Menschen das Leben raubst? Aber Unschuldige zu töten, das ist ja deine Stärke, nicht? Du hast doch auch an der Bombardierung von Dresden teilgenommen. Nichts von dem, was ich je getan habe, kann sich mit dem Ausmaß dieser Greueltat messen.«
    Daniels Stimme war fast nur noch ein Flüstern. »Das war etwas anderes. Das war die grausame Notwendigkeit des Krieges.«
    »Und genau der habe auch ich gehorcht!« fuhr Etienne ihn an. »Der grausamen Notwendigkeit des Krieges.« Er stockte, und als er weitersprach, konnte Frances den kaum verhohlenen Triumph aus seiner Stimme heraushören. »Wenn du dich als allmächtiger Gott aufspielen willst, Gabriel, dann solltest du dich vorher vergewissern, daß du auch Gottes Weisheit besitzt. Siehst du, ich habe nie ein Kind gehabt. Ich hatte mit dreizehn eine Virusinfektion und bin absolut zeugungsunfähig. Meine Frau wollte unbedingt einen Sohn und eine Tochter, und um ihren Mutterschaftswahn zu befriedigen, habe ich mich bereit erklärt, ihr zu Kindern zu verhelfen. Gerard und Claudia haben wir in Kanada adoptiert und später mit nach England gebracht. Die beiden sind weder untereinander noch mit mir verwandt gewesen. Ich hatte meiner Frau versprochen, daß die Wahrheit nie publik werden würde, aber Gerard und Claudia haben wir über ihre Herkunft aufgeklärt, als sie vierzehn waren. Für Gerard war das sehr schlimm. Wahrscheinlich hätte man beide Kinder schon viel früher einweihen sollen.«
    Frances wußte instinktiv, daß Gabriel nicht nachzufragen brauchte, ob Etiennes Behauptung wirklich wahr sei. Sie sah förmlich, wie er in sich zusammenfiel, ja es war, als ob die Muskeln seines Gesichts und seines Körpers sich vor ihren Augen aufzulösen begännen. Gewiß, er war auch vorher schon ein alter Mann gewesen, aber einer mit Kraft, Intelligenz und Willensstärke. Jetzt schwand alles, was ihn am Leben gehalten hatte, buchstäblich dahin. Sie machte rasch einen Schritt auf ihn zu, aber er gebot ihr mit einer Geste Einhalt. Langsam und qualvoll richtete er sich zu seiner vollen Größe auf. Er wollte etwas sagen, aber seine Stimme gehorchte ihm nicht. Dann wandte er sich um und ging zur Tür. Wortlos folgten sie ihm hinaus in die Nacht und beobachteten, wie er langsam auf das schmale Felsriff am Rand des Sumpfgeländes zutappte.
    Frances rannte ihm schließlich doch nach, holte ihn ein und packte ihn am Ärmel. Er versuchte sie abzuschütteln, aber sie klammerte sich hartnäckig fest, und seine Kräfte schwanden rasch. Doch da umschlang Daniel, der ihr gefolgt war, sie mit beiden Armen und zog sie fast gewaltsam von ihm fort. Sie gab sich zwar alle Mühe, sich freizustrampeln, doch seine Arme umklammerten sie wie Stahlringe. Hilflos mußte sie mit ansehen, wie Gabriel weiter ins Moor hinausschritt.
    »Lassen Sie ihn«, sagte Daniel nur, »so lassen Sie ihn doch.«
    Verzweifelt drehte sie sich nach Jean-Philippe Etienne um und rief: »So gehen Sie ihm doch nach! Halten Sie ihn auf! Holen Sie ihn zurück!«
    »Wozu sollte er denn zurückkommen«, fragte Daniel
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